Familienstreit endet vorm Kadi
Ein 45-Jähriger musste sich am Dienstag vor Gericht verantworten. Er war auf seinen Schwager losgegangen. Beim Urteil zeigte der Richter schließlich Milde.
Monheim. Als ein Mensch mit zwei Gesichtern beschreibt ihn sein Verteidiger, als eine Art Dr. Jekyll und Mr. Hyde. „Wenn er trinkt, explodiert er“, sagt der Jurist. Matthias S. sitzt nicht zum ersten Mal auf der Anklagebank. Der Mann mit dem breiten Kreuz hat einige Vorstrafen. „Und alle hängen mit dem Alkohol zusammen“, sagt er selbst.
Dieses Mal war der 45-jährige Betriebsschlosser auf seinen Schwager losgegangen. „Gefährliche Körperverletzung“ lautet die Anklage. Im Oktober vergangenen Jahres hatte der Mann seiner Schwester versucht, ihn sich nach einem verbalen Streit mit einer ausschweifenden Geste vom Leib zu halten. Grund genug für Matthias S., mit einem Zollstock auszuholen. Der Schwager zog sich eine Platzwunde an der Schläfe zu und musste ärztlich behandelt werden. Ein Bluttest des Angreifers ergab eine Alkoholkonzentration von 1,8 Promille.
Vor dem Richter kann sich Matthias S. nicht mehr an den Inhalt des Streits erinnern. Auch nicht daran, dass er seinen Schwager laut Anklage gegen die Wade getreten haben soll. „Ich weiß, dass ich mit dem Zollstock zugehauen habe. Und das tut mir auch sehr leid“, sagt er.
Mit seiner Familie habe er wegen seiner Alkoholexesse längere Zeit keinen Kontakt gehabt. Die Strafanzeige seines Schwagers habe ihn jedoch schließlich „aufgerüttelt“, sagt er. Kurz nach der Attacke habe er sich in der Rheinischen Landesklinik in Langenfeld gemeldet. „Ich habe mich freiwillig für eine Therapie angemeldet“, sagt er. Seitdem komme er regelmäßig in die Ambulanz der Klinik. „Ich habe seitdem keinen Alkohol mehr angerührt“, sagt er.
Auch mit seiner Familie habe der 45-Jährige wieder Kontakt. „Es tut mir leid, wie sehr alle unter meinen Ausfällen gelitten haben“, sagt er. Er könne nachvollziehen, dass sie regelrecht Angst vor ihm gehabt habe. Mittlerweile seien ihm alle Familienmitglieder, selbst sein Schwager, wieder zugewandt. Deshalb will sich auch keiner der geladenen Zeugen zu dem Vorfall äußern.
„Wir machen von unserem Recht Gebrauch, nichts weiter dazu zu sagen“, so der Schwager selbst. Er wolle nicht, dass Matthias S. bestraft werde. „Weil er auf einem guten Weg ist“.
Auch die Schwester des Angeklagten appellierte vor dem Urteilsspruch an den Richter: „Ich habe meinen Bruder noch nie so einsichtig wie jetzt erlebt. Er kämpft mit sich und will es schaffen.“ Gleichzeitig wisse sie aber auch, dass es seine letzte Chance sei. „Wenn noch einmal so etwas passiert, dann können wir ihm nicht mehr helfen. Dann werden wir uns auch distanzieren“, sagt die 51-Jährige.
Sowohl die Amtsanwältin als auch der Richter halten dem Angeklagten sein Teilgeständnis zugute. Trotz des Einwands des Verteidigers, dass ein Zollstock wohl kaum als eine Tatwaffe gelte und demnach keine gefährliche Körperverletzung vorliege, hält der Richter an der Anklage fest, geht aber von einem „minderschweren Fall“ aus. „Weil Sie sich in Therapie begeben haben und auf einem guten Weg sind, können wir die Freiheitsstrafe von fünf Monaten zur Bewährung aussetzen“, urteilt der Richter.