Jedes dritte Kind hat Sprachdefizite
Erzieherinnen wollen Eltern nicht nur in Sachen Sprachförderung in die Pflicht nehmen.
Monheim. Kann etwas, das „in etwa gleich geblieben ist“, als Erfolg gewertet werden? Annette Berg tut es. Sie ist die Leiterin des Jugendamtes. Und wenn sie mit den Leitungen der Kitas zusammensitzt, dann wird jenes „in etwa gleich geblieben“ auf die Sprachstandserhebung der Vierjährigen — Delfin 4 genannt — bezogen. Durchschnittlich haben demnach jährlich etwa 90 Kinder ein Defizit. „Wenn man sich anschaut, was noch alles zusätzlich an Problemen auf uns zugekommen ist, dann ist das schon ein Erfolg“, betont Annette Berg.
Seit zehn Jahren gibt es Mo.Ki (Monheim für Kinder). Das Netzwerk wurde Stück für Stück ausgebaut. Aktuelles Beispiel: Am Mittwochabend waren 70 Mitarbeiterinnen aus Monheims Kitas und Ganztagsbetrieben der Grundschulen auf Einladung der Stadt ins Bürgerhaus gekommen. Kinderbuchautorin Hannelore Dierks leitete die Veranstaltung unter dem Motto „Sprachförderung im Alltag“.
„Wir tun schon viel. Aber in den zehn Mo.Ki-Jahren hat sich gesellschaftlich vieles geändert“, sagt Berg. So würden beispielsweise immer häufiger beide Elternteile arbeiten gehen. Haben sie dann endlich einmal mehr Zeit fürs Kind, dann wird fast alles erlaubt. Wichtige Grenzen fallen weg.
Stadt und Politik haben im Brennpunkt Berliner Viertel gehandelt: Alle sechs Kitas haben vor etwa einem Jahr eine zusätzliche Stelle erhalten. Doch wie wirkt es sich aus?
„Für uns ist das Gold wert. Der neue Kollege kümmert sich hauptsächlich um die intensive Elternarbeit“, sagt Bärbel Frischmuth, stellvertretende Leiterin der evangelischen Kita Grunewaldstraße.
Tatsächlich wird auch dort festgestellt, dass immer häufiger bei den Eltern angesetzt werden muss. „Es ist keine Seltenheit, dass eine Mutter mit dem Kind zu uns kommt, es aber überhaupt nicht hört. Das geht gar nicht“, schildert es Frischmuth. Deshalb wird den Eltern bewusst gemacht, dass Grenzen für die Kinder wichtig sind.
Die Erzieherin wundert sich auch nicht darüber, dass trotz der „erheblich verbesserten“ Arbeit in den Kitas die Zahl der Sprachdefizite nicht zurückgeht. „In der Regel sind die Kinder bis zum Delfin-Test gerade einmal ein Jahr bei uns. So schnell können wir das gar nicht auffangen“ sagt sie. Denn oft werde im Elternhaus wenig gesprochen. „Stattdessen läuft der Fernseher oder das Kind hängt am PC. Auch hier sind wieder die Eltern in der Pflicht. Sie müssen begreifen, wie wichtig das Reden ist“, betont Frischmuth.