Interview Gardi Hutter „Uns droht nicht mehr ,Kopf ab‘"

Langenfeld · Die Schauspielerin hat in den 70ern begonnen, als Clownin zu arbeiten. Sie gastiert am Sonntag im Schaustall.

Gardi Hutter gastiert am Sonntag, 25. Februar, im Langenfelder Schaustall am Winkelsweg.

Foto: Stephan Bundi

Die Schweizerin Gardi Hutter ist nicht nur Schauspielerin und Autorin, sondern vor allem Clownin. Meist abseits des Zirkus bespielt sie seit mehr als 40 Jahren die Theater und Kleinkunstbühnen der Welt. Am 25. Februar macht sie mit „Die Schneiderin“ Halt im Schaustall Langenfeld. Vorher plaudert sie aus dem Nähkästchen.

Frau Hutter, was ist eine Clownin?

Gardi Hutter: Eine tragikomische Figur, eine Antiheldin, die die Katastrophen auf die Spitze treibt und sie so ins Komische kippt. Der Ursprung aller komischen Figuren liegt in den archaischen Volksfesten, wo die Toten und die Dämonen immer mitgefeiert haben. Reste davon sind in Karneval, Halloween, Silvester oder der Fiesta de los muertos in Mexiko zu finden. Im Laufe der Zeit haben sich die Volksmasken zu Theaterfiguren entwickelt. Ihre Themen sind der Tod, das Scheitern, das Lächerliche. Darum dürfen sie alles, vorausgesetzt, sie finden die komische Wendung. Sonst wird’s peinlich und das Publikum schweigt. Aber uns droht nicht mehr „Kopf ab“ wie dem Hofnarren, wenn er nicht lustig war – uns drohen nur noch schlechte Kritiken.

Sie haben in den 70ern begonnen als Clownin zu arbeiten, in einer Zeit, in der es kaum Comediennes gab. Wie war die Arbeit damals als Frau im komischen Fach?

Hutter: Schwierig war, ohne weibliche role models eine Figur zu finden. Aber als das Stück dann stand, hatte ich durch die Neuheit und Rarität nur noch Vorteile. Anfänglich wurde in meinen Stücken vor allem das Provokante und Aggressive gesehen. Für einige Zuschauende war es ein Schock, weil „so unweiblich“. Heute ist das Selbstverständnis ein anderes, und es wird mehr Hannas Verlieren gesehen: Hanna scheitert immer – das aber immer großartig.

Für die Bühne haben Sie eine ganz eigene Sprache erfunden…

Hutter: Auch, wenn ich fast keine Worte sage, rede ich sehr viel auf der Bühne. Ich brabble und grummle – es ist eine emotionale Sprache, die sofort verstanden wird – ob ich in China oder Brasilien oder in Langenfeld spiele. Es ist direkter körperlicher Ausdruck, noch nicht intellektuell verfeinert. Im Clownsspiel geht es nicht um Tagespolitik, sondern um existenzielle Überlebenskämpfe. Es erzählt, wie beschränkt wir Menschen sind – und da die Clowns eben noch viel beschränkter sind, haben die Zuschauer einen großen Lustgewinn.

Sie sind in der Schweiz geboren und treten international auf, unterscheidet sich der Humor denn eigentlich in unterschiedlichen Ländern?

Hutter: Das Auffallendste für mich ist, dass die Menschen in allen 35 bespielten Ländern an den gleichen Stellen lachen – mal lauter und mal leiser. Clowns betonen mehr das Gemeinsame, Kabarett betont die Differenz. Es ist die Sprache, die uns Menschen verbindet, aber auch trennt und ausschließt. Auf der körperlich-emotionalen Ebene sind wir uns weltweit sehr ähnlich.

Ihre Figur Hanna begleitet Sie schon über 40 Jahre auf der Bühne, welche Aspekte Ihrer eigenen Persönlichkeit fließen in Ihre Spiel-Charaktere ein?

Hutter: Hanna ist eine Maske, eine Ganzkörpermaske. Ich kann in sie rein und wieder raus. Sie ist extremer und radikaler als ich. Ich kann bei ihr den ganzen Frust über die Welt und die Wut über unsere Dummheit abgeben. Konflikte und Katastrophen sind ihr Stoff. Sie dreht sie bis ins Absurde. Ich persönlich versuche, mehr in Frieden mit meinen Mitmenschen und in Harmonie mit meinem Schicksal zu kommen.

Gibt es eine bestimmtes Projekt, auf das Sie besonders stolz sind? Welche zukünftigen Projekte oder Träume haben Sie?

Hutter: Ich bin stolz auf die Erfindung einer Figur, die auch nach 43 Jahren immer noch durch die Lande zieht und die Leute zum Lachen bringt. Das Lachen ist eine geniale Erfindung der Menschen, es ist Kultur pur. Es hilft, uns zu entspannen, das Leben trotz aller Widersprüche zu genießen. Und was mir auch sehr gefällt: Hanna rührt die Menschen. Am Schluss der Vorstellung tönt das Publikum anders als am Anfang. Und wenn ich mich im Foyer verabschiede, strahlen die Menschen mich an. Und das freut dann wiederum mich.

(og)