Langenfeld: Kleiderschrank im Kofferraum
Hartmut Jungmond wohnt in seinem Auto. Der Ingenieur hat sich bewusst zu diesem Schritt entschieden.
Langenfeld. Der kleine Mittelklasse-Pkw fällt nicht auf. Er steht etwas abseits der anderen Wagen, aber nicht ganz in einer Ecke des Parkplatzes. Erst aus direkter Nähe - aber wer geht schon so nah heran? - bemerkt man das Schlafzimmer auf der Rückbank: ein ausgerollter, sauberer Schlafsack.
Der Mann, der sich auf der Parkbank ein paar Meter weiter in der Frühlingssonne entspannt zurücklehnt, ist ebenso unauffällig. Freundlich schaut er den Passanten zu, blitzt mit strahlend blauen Augen unter seiner Kappe hervor.
Hartmut Jungmond
Seit August 2009 wohnt Hartmut Jungmond in seinem Auto. Die Grünanlage ist sein Garten, der Kofferraum Kleiderschrank und Vorratskammer. "Das mit den Lebensmitteln wird bald nicht mehr so gehen", kommentiert der Mann mit dem gepflegten, grauen Stoppelbart das Wetter.
Schon in der Firma, in der er früher gearbeitet hat, galt er als bunter Vogel. Sein Osterwunder erlebte er eines Morgens, als er aufwachte und sicher wusste: Die Zeit der Tränen ist vorbei. Nach einer Fastenkur krempelte er sein Leben um. Der liebe Gott sorgt für alle, das wollte er erleben. Brauchte man bei so viel Schutz noch Versicherungspolicen? Aus dem gleichen Vertrauen heraus kündigte er seine Stelle, wurde Lehrer für das japanische Behandlungsverfahren Reiki und für Yoga. "Es kann nicht sein, dass Reiki nur etwas für Reiche ist", war Jungmond überzeugt - und bot seine Künste gegen Spenden an.
Über Düsseldorf und einige andere Stationen kam Jungmond nach Langenfeld, schloss sich hier einem spirituellen Zentrum an. Als er nicht mehr bei Bekannten unterkommen konnte, richtete er seine Wohnung im Auto ein. Dabei hat ihm der Winter zunächst durchaus Angst gemacht. "Gefroren und gelitten habe ich zu keiner Zeit", sagt der 58-Jährige.
Mit Erfindergeist fand er eine Möglichkeit, auf eine erträgliche Temperatur zu heizen. Als mit minus 17 Grad strenger Frost angekündigt wurde, holte er sich "Hilfe von oben": "Lieber Gott, lass Dir was einfallen", ist das Gebet des Mannes mit der Schirmmütze. Tatsächlich rief am gleichen Abend eine Bekannte auf dem Handy an und lud ihn ein. Er verlegte ihr einen neuen Boden, und bald war der schlimmste Frost vorbei.
Jungmond ist auf seinem Parkplatz nicht allein. Ein Nachbar aus der Siedlung kann schlecht schlafen und läuft trinkend in der Grünanlage die Nacht herum. Morgens stellt er sein Leergut am Auto des 58-Jährigen ab. Ein anderer Nachbar bringt abends eine Thermoskanne mit heißem Wasser zum Wagen - so kann sich der Mann im Auto nachts etwas Warmes zu trinken bereiten. Sein Fahrrad durfte Jungmond in einer Garage nicht in der Nähe unterstellen.
"In Langenfeld kann man gut leben. Es gibt nette, hilfsbereite Menschen", fasst Jungmond seine Erlebnisse zusammen: "Ich bedanke mich jeden Tag bei meinem Schöpfer."
Irgendwann kamen Polizei und Ordnungsamt, fragten Jungmond, ob er keine Wohnung suchen wolle. "Nö, weil ich nicht hier bleibe", sagte er. Er ist sich sicher, dass er bald in den Westerwald kann, sogar in das Haus zurück, das er 2007 nach der Erkrankung seiner Frau verloren hatte. Es soll sein eigenes, spirituelles Zentrum werden, mit Reiki und Yoga, natürlich auf Spendenbasis.