Monheim: Den perfekten Klang im Ohr
Gisela Schmelz ist seit einem Vierteljahrhundert Kirchenmusikerin – aus Leidenschaft.
Monheim. Der Moment bevor gesungen wird, fühlt sich komisch an. Wer durchbricht die Stille? Sitzt der erste Ton? Gisela Schmelz steht im Eki-Haus vor einer Gruppe von Hobbysängern und -sängerinnen, die sich im Halbkreis formiert haben. Die Kirchenmusikerin strahlt Ruhe aus und nimmt den teils ungeübten Chormitgliedern so die Nervosität. Dann summt sie leise die richtigen Töne in den Raum. Jetzt ist der Moment gekommen, die Brustkörbe füllen sich mit Luft. Eine Sekunde später ist die Stille erfolgreich vertrieben.
Gisela Schmelz ist seit 25 Jahren leidenschaftliche Kirchenmusikerin, 19 davon in Monheim. Zudem leitet sie auch verschiedene Chöre vor Ort. Dabei ist sie immer auf der Suche nach dem "perfekten Klang". Wenn sie sonntags den Gottesdienst der Monheimer Gemeinde an der Orgel begleitet, spielt Schmelz nicht nur klassische Kirchenlieder. Sie sagt: "Musik wird dann zur Kirchenmusik, wenn sie gebraucht wird."
Sie müsse nur in den Gottesdienst passen. Ein Beispiel ist "Morning has broken" von Cat Stevens. Das Lied steht sogar im evangelischen Gesangsbuch - mit deutschem Text. Ab und zu "schmuggelt" Schmelz die Filmmusik von Harry Potter in den Gottesdienst. "Die Leute freuen sich über bekannte Melodien", begründet die 49-Jährige ihre Liedauswahl.
Bei aller Innovation, die Schmelz pflegt, an Klassikern kommen geistliche Orgelspieler nicht vorbei. "Ich begleite Choräle, die ich schon damals in meinem Konfirmanden-Unterricht gehört habe." Auf die Nerven gehe es ihr aber dennoch nicht, immer die gleichen Stücke zu spielen. Sie sagt: "Was gut komponiert ist, nutzt sich nicht ab." Lieder wie "Lobe den Herrn, meine Seele" leben, so Schmelz, im Augenblick.
Schon als 15-Jährige wusste die Urdenbacherin, dass sie Kirchenmusikerin werden wollte. "Nur habe ich mir darunter etwas ganz anderes vorgestellt", blickt sie zurück. "Ich dachte, ich spiele nur Orgel." Heute weiß sie, dass das Orgelspiel nur einen ganz kleinen Teil ihrer Arbeit ausmacht. Ihr Kerngeschäft sei es, Menschen für Musik zu begeistern.
Das macht sie inzwischen Woche für Woche im Eki-Haus - als Leiterin der Gospelsingers, eines Kinderchors und auch bei den "Singwochen", die es zweimal im Jahr gibt. Die Idee für Letztere hatte die Kirchenmusikerin 1992 selbst. Das Angebot richtet sich speziell an Menschen "die schon länger auf der Welt sind". Die erhalten eine Woche lang eine "Intensivkur". Das bedeutet: tägliches Singen von Montag bis Samstag. Sonntag schließt die Woche mit einem Konzert im kleinen Rahmen ab.
Teilnehmen kann jeder. Schmelz sagt zu den Anforderungen: "Wer auf die Idee kommt, bei so etwas mitzumachen, ist auch geeignet." Die Hobbysänger trällern dann Lieder wie "My bonny is over the ocean". Da kenne schließlich jeder den Text. An der Aussprache wird noch ein wenig gefeilt - fertig.
Eins ist Schmelz aufgefallen: "Gerade ältere Menschen brauchen immer einen Zettel in der Hand, an dem sie sich festhalten können." Dann fühlen sie sich sicher, können aus voller Brust singen. Weil die Kirchenmusikerin weiß, dass viele Ältere mit den Fremdsprachen so ihre Probleme haben, gibt es zu "Guantanamera" einen speziellen Liederzettel mit Lautschrift. Und so singt die versammelte Gruppe: "Jo ßoi un ommbrä sinßäro..."