Loveparade-Einsatz: Die Bilder der Tragödie bleiben

86 Helfer des Deutschen Roten Kreuzes im Kreis Mettmann sind für ihren Einsatz beim Loveparade-Unglück in Duisburg ausgezeichnet worden.

Kreis Mettmann. Vom Fenster des großen Sitzungssaals des Mettmanner Kreishauses geht der Blick weit über das Land. Eine ähnlich gute Aussicht hatte Rebekka Weyrauch am 24. Juli 2010 — nur waren Anlass und Ausblick wesentlich weniger schön als jetzt. Damals war sie im Einsatz für das Deutsche Rote Kreuz nach der Massenpanik bei der Loveparade in Duisburg. Von der Autobahnbrücke der A 59 sah sie das Chaos nach der Tragödie mit 21 Toten und unzähligen Verletzten.

Am Samstag wurden Rebekkan Weyrauch und 85 weitere Helfer des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) aus dem Kreis Mettmann, die bei der Loveparade im Einsatz waren, von Landrat Thomas Hendele mit einer Urkunde ausgezeichnet.

Rebekka Weyrauch war an diesem Tag als Krankenfahrerin in Bereitschaft eingeteilt. Eigentlich hatte sie nicht mit einem Einsatz gerechnet: „Uns wurde vorher gesagt, dass wir an Stelle 10 der Alarmierungsliste stünden und dass ein Einsatz unwahrscheinlich sei“, erinnert sie sich. „In dem Moment, in dem das Einsatzhandy klingelte, war mir aber klar: Da muss etwas Größeres passiert sein.“ Auf dem Weg zum Einsatzort erfuhr sie dann aus dem Radio von 21 Toten. „Wir wussten nicht, was da passiert ist und was auf uns zukommt.“

Stationiert wurde sie auf der Autobahnbrücke. „Ständig kamen uns Krankenwagen entgegen. Ich sah Rettungshubschrauber. Und dann diese Menschenmassen. Am erschreckendsten war, den Unterschied zu sehen: Hier die Panik, die Verletzten, die Katastrophe — und einige hundert Meter weiter feierten die Menschen.“

Eine Katastrophe wie bei der Loveparade — für alle Helfer kein alltäglicher Einsatz. Und dennoch ist ihnen klar, dass so etwas immer passieren kann: „Das ist das, was wir immer wieder üben: Abläufe mit vielen Verletzten und chaotischen Gegebenheiten. Aber es ist der Fall, von dem man hofft, dass er nie eintritt. “, sagt Sebastian Dahm von der Einsatzleitung.

Weil die Retter ohne nachzudenken ihr Programm abspulten, wurde ihnen erst später bewusst, in welcher Situation sie sich befanden. Jürgen Draht, evangelischer Pfarrer, betreute die Einsatzkräfte: „Es gibt das Debriefing — dabei werden im Gespräch die Geschehnisse sortiert: Was habe ich gesehen, welche Gefühle haben mich bewegt, was für Reaktionen habe ich bei mir festgestellt und was tue ich, damit es mir wieder besser geht?“ Verarbeitet haben die meisten Helfer das Erlebte inzwischen — vergessen nicht. Jürgen Draht: „Das soll auch nicht sein. Der Sinn eines traumatischen Erlebnisses ist es ja, eben nicht zu vergessen.“

Auch Rebekka Weyrauch hat eine Zeit gebraucht, bis sie das Geschehene verarbeitet hatte. Bis heute, sagt sie, kommt es ab und zu noch mal hoch: „Ich habe eine Ausbildungsstelle in Duisburg angetreten. Da fahre ich jeden Morgen mit dem Zug am Festgelände vorbei — und oft denke ich dann noch an diesen Tag.“ Doch die Erinnerungen machen sie nicht mehr traurig, sondern motivieren sie zum Weitermachen. „Die Urkunde — schön und gut. Aber viel wichtiger ist es, dass ich Menschen helfen konnte. Es mag abgedroschen klingen, aber wenn ich einen Einsatz hatte und mir steht jemand gegenüber und sagt ’Danke’ — das bedeutet mir viel mehr als jedes Papier.“