Mehr Bürger kaufen sich eine Waffe

Seit Silvester wurden kreisweit bereits 73 Anträge auf einen Kleinen Waffenschein gestellt. Im Jahr 2014 waren es 100.

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Kreis Mettmann. Daniel P. (26) hat gerade in dem Geschäft für Jagd- und Schießsportartikel an der Hauptstraße in Langenfeld Munition für seine Schreckschusswaffe der Marke Zoraki besorgt, für die er vergangene Woche den Kleinen Waffenschein beantragt hat. Seine Freundin, die nachts oft allein in Düsseldorf unterwegs ist, hat er mit Pfefferspray ausgerüstet. „Ich finde es gut, wenn man sich wehren kann“, sagt er.

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48-Jähriger beim Einkauf im Waffenladen

Ein 73-jähriger Langenfelder hat für seine Frau, die frühmorgens von Richrath zur LVR-Klinik radelt, ein Spray gekauft. „Die hat neuerdings Schiss“, sagt er. Und ein 48-jähriger Leverkusener hat gleich einen Großeinkauf getätigt, um seine Familie und die seines Kollegen mit Pfefferspray einzudecken. „Früher haben wir das gegen große Hunde gekauft, jetzt wegen der allgemeinen Lage“, sagt er. Sein Kollege überlege schon, ob er seine 17-jährige Tochter an Karneval überhaupt zum Feiern hinauslasse. Er und seine Frau gingen abends nur noch ungern auf die Straße.

Allein die dramatische Zunahme der Einbrüche, die nicht abebbende Flüchtlingswelle und das wachsende Gefühl vieler Bürger, durch die Polizei nicht mehr ausreichend geschützt zu werden, veranlasst immer mehr Menschen dazu, sich zu bewaffnen. Das lässt sich an der Anzahl der Anträge auf einen Kleinen Waffenschein ablesen, die bei der Stelle für Waffenwesen der Kreispolizeibehörde gestellt werden.

Demnach wollten im ganzen Jahr 2014 nur 100 Menschen die Berechtigung erwerben, eine Schreckschuss- oder Gaspistole mit dem Zulassungszeichen PTB auch außerhalb der eigenen Wohnung mit sich zu führen. 2015 zählte die Stelle 270 Anträge. Seit Anfang des Jahres sind es schon 73, die sexuellen Übergriffe in Köln haben das Ihrige zu diesem Aufrüstungstrend beigetragen. „Gründe müssen die Antragsteller nicht angeben — aber offenbar fühlen sich die Menschen unsicher“, sagt Polizeisprecherin Claudia Partha.

Sigrid Wurmann, Inhaberin des Waffengeschäfts, kann den deutlichen Anstieg bei den frei verkäuflichen Waffen nur bestätigen. „Weniger bei den Gas- und Schreckschusspistolen, als bei Reizgas- und Pfefferspray sowie Elektroschockern, Mitteln zum Selbstschutz, die in die Handtasche passen.“ Kürzlich hat sie sogar einen Lieferengpass beim Pfefferspray erlebt, das eigentlich nur zur Tierabwehr benutzt werden darf — was sie auch stets betont. Gar nicht mehr lieferbar sei Reizgas. Angaben dazu, gegen welche konkrete Gefahr sie sich schützen wollten, lieferten die Leute selten. „Und ob das Mittel der Wahl geeignet ist, entscheiden die Leute selbst“, sagt Wurmann. Kunden seien Männer wie Frauen.

Diese Entwicklung betrachtet die Abteilung Kriminalprävention und Opferschutz in Hilden mit Sorge: „Der Normalbürger ist den Umgang mit solchen Waffen nicht gewöhnt. Da kann es leicht passieren, dass man etwa ein Spray unter Stress falsch handhabt und sich selbst außer Gefecht setzt oder dass man es vom Angreifer abgenommen bekommt, so dass es gegen einen selber verwendet wird“, sagt Leiter Uwe Kohfeldt.

Die Polizei rät daher grundsätzlich davon ab, sich mit solchen Waffen gegen Angreifer zur Wehr zu setzen. Die zum Teil täuschend echt aussehenden Schreckschusspistolen könnten sogar dazu führen, dass eine Situation eskaliert. „Im Grunde sind sie nur dazu geeignet, das subjektive Sicherheitsempfinden zu steigern“, so Partha. Allgemein empfiehlt die Abteilung Opferschutz Frauen, sich nachts nur über beleuchtete Wege und in Gruppen zu bewegen.