Geschlossene Tagestreffs, steigendes Infektionsrisiko „Corona hinterlässt Spuren“

Mettmann. · Aufenthaltsmöglichkeiten sind geschlossen, das Infektionsrisiko angesichts mangelhafter hygienischer Zustände hoch.

 Der Tagestreff der Caritas in Mettmann ist geschlossen – Wohnungslose können für eine halbe Stunde zum Mittagessen kommen.

Der Tagestreff der Caritas in Mettmann ist geschlossen – Wohnungslose können für eine halbe Stunde zum Mittagessen kommen.

Foto: Caritas

Die Beratungsstelle der Caritas für Wohnungslose verzeichnet in diesem Jahr mehr Klienten denn je: 2020 wurden bisher 520 Wohnungslose erfasst, die sich an die Stelle wendeten. Die ist für die Städte Mettmann, Erkrath und Haan zuständig – auf die Kreisstadt allein kommen 287 Wohnungslose. „Corona hinterlässt Spuren“, sagt Thomas Rasch, Bereichsleiter für Integration und Rehabilitation des Caritasverbands für den Kreis Mettmann. Zum Vergleich: 2019 erfasste die Beratungsstelle für die genannte Versorgungsregion Mettmann-Erkrath-Haan 453 Klienten, 2015 waren es 342. Ein Trend, der auch in den anderen drei Versorgungsregionen des Kreises Mettmann von den jeweiligen Sozialdiensten bestätigt werde, so Rasch.

Die knapp 300 Menschen, die sich in Mettmann derzeit in einer „prekären Lebenssituation“ befinden, stuft Rasch als „verdammt hoch“ ein. Vermutlich liegt die Zahl sogar noch höher – schließlich suchen nicht alle Betroffenen Unterstützungsangebote auf. Und nur ein Bruchteil von ihnen lebt in den städtischen Unterkünften: Wie die Stadt auf Nachfrage der Fraktion Die Linke mitteilt, sind das derzeit 19 Personen, davon 13 Männer. Während die Stadt formal anerkannte Geflüchtete, die über keine eigens gemietete Wohnung verfügen, zum Kreis der Wohnungslosen dazurechnet, sind diese in den Zahlen der Caritas nicht mit einberechnet. „Diese knapp 300 wohnungslosen Menschen, die wir in Mettmann erfasst haben, kommen von hier, aus der Stadt“, verdeutlicht Rasch. Der allergrößte Teil von ihnen lebe bei Bekannten. „So richtig auf der Straße, im Wald oder im Zelt leben in Mettmann seit je die allerwenigsten.“

Rechtlich gesehen gibt es laut dem Integrationsbeauftragten Marko Sucic keinen Unterschied zwischen Obdach- und Wohnungslosigkeit. Dennoch bezeichnen die beiden Begriffe unterschiedliche Dinge: Wohnungslosigkeit ist der Übergriff, unter den sämtliche Personen ohne eigenen Mietvertrag fallen. Obdachlosigkeit ist ein Teilbereich davon und betrifft die Menschen, die weder in einer öffentlichen Unterkunft noch bei Bekannten unterkommen, also tatsächlich kein Dach über dem Kopf haben. Letzteres ist in Mettmann die Ausnahme, von einer guten Lebenssituation sind die meisten Wohnungslosen dennoch weit entfernt.

Unterkunft an der Hammerstraße ist „unzulänglich“

„Diese Menschen haben meist mehrere Krankheiten gleichzeitig, leiden unter psychosozialen Problemen und sind sehr oft schwer suchtkrank“, erläutert Thomas Rasch. Deswegen sind sie durch die Pandemie besonders gefährdet, denn das Gefühl für den eigenen Körper und die Gesundheit haben die meisten verloren, außerdem ist das Einhalten der hygienischen Maßnahmen zum Infektionsschutz in vielen Fällen nicht möglich. „Das betrifft insbesondere die Notunterkunft an der Hammerstraße: Die Unterbringung dort ist – freundlich gesagt – unzulänglich.“

Die hygienischen Zustände seien unzureichend, Abstand könne ebenfalls nicht eingehalten werden – was insbesondere hinsichtlich einer Corona-Infektion gravierend ist, von der Rasch weiß. In der Antwort der Stadt auf die Anfrage der Linken hingegen heißt es, in den Unterkünften für Wohnungslose habe es bisher noch keine Corona-Fälle gegeben. Außerdem hätten alle Bewohner „die Möglichkeit gehabt, ein Hygienepaket zu erhalten“ und seien auf die Hygieneregeln hingewiesen worden.

Für Thomas Rasch ist die Situation dort jedoch mangelhaft – vor allem in Zeiten einer Pandemie. Einzelzimmer seien in diesem „unbetreuten Haus am Rande der Stadt“ das Mindeste. Er verweist auf Städte wie Düsseldorf, die befristet leerstehende Hotels zur Unterbringung von Wohnungslosen anmieten. „Das ist ein Gewinn für beide Seiten: Die Betroffenen leben unter menschenwürdigen Bedingungen und ihr Infektionsrisiko sinkt, die Hoteliers können ein wenig Umsatz machen.“ Sozialarbeiter würden die Betreuung sichern.

Normalerweise würden einige der Bewohner aus der Unterkunft regelmäßig zum Tagestreff der Caritas an der Lutterbecker Straße kommen. „Dort gibt es saubere Duschen und Toiletten, eine Waschmaschine, Mittagessen, Kaffee – es ist vor allem ein Ort, an dem sich die Wohnungslosen tagsüber aufhalten können und wo sie sich angenommen fühlen – und zwar frei von jeglichen Suchtmitteln“, sagt Rasch. Dieser Treff ist seit einigen Monaten eingeschränkt, die Menschen dürfen in der Mittagszeit jeweils nur für eine halbe Stunde zum Essen kommen, danach müssen sie wieder gehen. „Das ist bitter, vor allem jetzt im Corona-Winter.“

Auch das große Weihnachtsessen, das die Caritas jährlich für rund 120 Personen veranstaltet, muss ausfallen. Stattdessen haben die Mitarbeiter mit viel ehrenamtlicher Unterstützung von Schülern und Bürgern Weihnachtspäckchen zusammengestellt. Mehr ist in diesem Pandemie-Jahr nicht möglich – ein harter Winter, der den Betroffenen bevorsteht und in dem der Jubiläumsplatz als Wohnzimmer reichen muss.