Erkrath: Der Engel für die Flüchtlinge
Erika Koch hilft nicht nur beim Weg durch den Behördendschungel.
Erkrath. Es gibt Momente, in denen Erika Koch (75) verzweifelt. Wenn eine Flüchtlingsfamilie zu Unrecht abgeschoben wird zum Beispiel. Oder wenn sie bei irgendeiner Behörde die Klinke in der Hand hält und vor dem Öffnen der Tür noch einen Augenblick lang innehält und überlegt, was sie dort nun wieder erwartet.
Oft sei das nichts Gutes gewesen, wie die Initiatorin der Erkrather Flüchtlingshilfe erzählt. Immer wieder mal sei sie gemeinsam mit den Menschen, die sie begleitet hat, unsanft nach draußen komplimentiert worden.
Davon, dass man auf Ämtern nicht immer zuvorkommend behandelt wird, kann Erika Koch ein Lied singen. In der Schreibtischschublade liegt ein Beschwerdebrief an die Arge, den sie nicht abgeschickt hat. Ihr Mann hat ihn geschrieben, nachdem es mal wieder einen dieser unerfreulichen Vorfälle gab. Erika Koch kämpft nicht für sich selbst. Sondern für Menschen, die ohne ihre Unterstützung ziemlich hilflos und ohnmächtig dem Geschehen um sie herum ausgeliefert wären.
Sie begleitet Flüchtlinge, die in den Notunterkünften der Stadt untergebracht sind, auf ihren Wegen durch den Behördendschungel. Sie geht mit zu Ärzten und ins Krankenhaus. Sie organisiert die Hausaufgabenhilfe für die Kinder und kümmert sich darum, dass die Flüchtlinge die deutsche Sprache lernen.
Dass sie es anfangs noch nicht können, ist für Erika Koch eine ganz normale Sache. "Dann nehme ich die Menschen einfach an die Hand und wir gehen los. Ich spreche dann auch für sie", erzählt sie aus einem Alltag, den ihr Ehemann Gerhard so in Worte fasst: "Fälle, Fälle, Fälle...", sagt der 80-Jährige, der seiner Frau dennoch tatkräftig zur Seite steht und ihre Zeit mit den vielen Menschen teilt, die Hilfe und Unterstützung brauchen.
Die Kochs leben in einem offenen Haus. Seit drei Jahrzehnten gehen Besucher aus vielen Ländern ein und aus. Einige haben sogar dort gewohnt. "Als unsere Kinder noch zu Hause waren, haben wir oft alle zusammen am Wohnzimmertisch gesessen und gespielt", erinnert sich Erika Koch.
Das ist mittlerweile fast 30 Jahre her. "Es war Weihnachten 1980. Da hatten wir zum ersten Mal einen vietnamesischen Jungen zu Gast, der zu den Boatpeople gehörte, die unsere Kinder in der Kirchengemeinde kennen gelernt hatten", blickt Erika Koch zurück.
Inzwischen ist der Junge von damals Diplomingenieur und in ein paar Tagen sind die Kochs zur Hochzeit eingeladen. Orientalische Figuren, selbstgemalte Bilder oder ein Teelicht aus Marokko: Erika Koch wurde von den Menschen, die sie oft lange Zeit begleitet hat, reich beschenkt. Fast jeden Tag kommt irgendjemand vorbei, um ihr mit selbstgekochten Spezialitäten eine Freude zu bereiten. "Die Leute wissen, dass ich so wenig Zeit habe", sagt sie und lächelt.
Auch wenn sie nicht ans Aufhören denkt und sich eigentlich gar nicht vorstellen kann, wie das gehen soll, wünscht sie sich manchmal mehr Zeit für sich. "Ich kann nicht in Ruhe wegfahren, weil ich immer denke, es passiert gerade dann etwas", gesteht sie. Vor Jahren starb eine vietnamesische Frau, während sie im Urlaub war.
Sie hat die Sterbende jeden Tag angerufen. Viele Schicksale kann sie auch in den eigenen vier Wänden nicht abschütteln. "Hinter jedem Flüchtling steht eine schwere Geschichte. Und vor allem in der ersten Zeit, in der sie noch nicht wissen, ob sie bleiben dürfen, fühlen sich viele entwurzelt und leiden unter psychischen Problemen."
Vor 23 Jahren gründete sie den Freundeskreis für Flüchtlinge, damals hatte sie noch viel Unterstützung von allen Seiten. Es gab zwischenzeitlich Zeiten, in denen sie sich alleingelassen fühlte. "Mittlerweile helfen mir Menschen, die einzelne Familien unterstützen", sagt sie. Freie Tage gibt es für Erika Koch eigentlich nicht. Aber dafür Momente, in denen sich Menschen auf die Frage nach Familienangehörigen in Deutschland zu ihr umschauen und antworten: "Ja, Frau Koch."