Erkrath: Einer sieht und zwei genießen

Freizeit: Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club bietet regelmäßig Tandemtouren für Blinde und Sehbehinderte an.

Erkrath. Abbiegen ist für den Piloten noch ungewohnt. Langsam rollend geht es entlang der Straße auf die Einmündung zu. "Hand rechts raus", hört Gerd Kozyk auf dem Rücksitz seinen Vordermann ansagen. Dann legt sich das Fahrrad sanft in die Kurve, verlässt die Hauptstraße, gleitet in der lauen Frühlingsluft geradeaus durch eine Kleingartensiedlung in Gerresheim.

Hat das Fahrrad erst einmal Schwung aufgenommen, fühlt sich Kozyk, ohne sehen zu können, sehr sicher auf dem zweiten Sattel. Heikel beim Tandemfahren ist für Ungeübte die Startphase. Wenn das Team zu zaghaft anfährt oder nicht im Takt tritt, kommt das Rad ins Trudeln.

"Das Schöne ist, sich ohne großes Risiko körperlich zu ertüchtigen", schwärmt Kozyk über die Idee des Tandemclubs "Weiße Speiche Erkrath-Düsseldorf". Die Gruppe aus Sehenden und Blinden startet regelmäßig mit acht bis neun Doppelfahrrädern vom Neuenhausplatz aus. Initiator Wolfgang Anft, aktiv im Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC), ist seit drei Jahren im Kreis aus festen Mitgliedern und Gästen der Motor.

"Wir suchen immer Piloten", erzählt der schlanke Augenarzt in Radlerhosen. Es sei nicht schwer, mit einem Sehbehinderten zu fahren, denn: "Der Blinde hampelt nicht. Er sieht ja nicht, was auf ihn zukommt, sondern passt sich den Bewegungen des Rades an."

Seit Samstag ergänzen zwei funkelnagelneue Leichtmetallräder die Flotte von neun Tandems, die der ADFC in einer Tiefgarage nahe am Startpunkt fahrbereit hält. Helga Hermanns, Vorsitzende des Allgemeinen Blindenvereins Düsseldorf, übergab die aus Spenden angeschafften Drahtesel dem Tandemclub als Leihgabe.

Über die Modernisierung des Fuhrparks freut sich Bettina Kemper vom ADFC Erkrath: "Unser Grundstock sind gebrauchte Räder, und die machen sehr viel Arbeit." Ideen, Touren und Pflege - alles liegt in den Händen ehrenamtlicher Helfer. Der Lohn ist, wenn Mitfahrer wieder feststellen: "Ist das Leben nicht schön!"

Weil der Wald noch durchnässt ist, führt Anft die Radler bei der ersten Tour des Jahres über befestigte Radwege, möglichst durch Nebenstraßen und Gartenanlagen.

Besonders wichtig ist für den Tourenführer der Einkehrschlenker, die gesellige Unterbrechung der Fahrt im Biergarten: "Es soll Zeit bleiben, einander kennenzulernen und zu quatschen." Wenn im Winter witterungsbedingt Pause ist für die Radler, trifft sich der Kreis zum Stammtisch in Unterfeldhaus. Gerd Kozyk ist gern dabei, so oft es geht: "Es ist ein toller Zusammenhalt in der Gruppe."