Hochdahl: Das Schicksal der Flüchtlinge im Kirchenasyl bewegt
Erste Spenden gehen ein. Pfarrer Horlitz spricht von breiter Zustimmung. Es gibt aber auch Kritik.
Hochdahl. Das Schicksal der Familie Sh. bewegt Erkrath. So oder so. Der Entschluss der Evangelischen Kirchengemeinde Hochdahl, den fünf Menschen aus Afghanistan Asyl zu gewähren, findet viel Zustimmung. In Gesprächen mit Bürgern wird aber ebenso wie im Internet-Forum der WZ auch die Meinung geäußert, dass eine Abschiebung der Familie nach Italien so schlimm ja nicht sein könne. Der europäische Nachbar sei schließlich mit den Terroristen in Afghanistan nicht zu vergleichen.
"Natürlich ist Italien nicht Afghanistan", sagte am Donnerstag Peter Knitsch, der Rechtsanwalt der Flüchtlinge, im Gespräch mit der WZ. Er kenne die Asylpraxis in Italien auch nicht, wisse jedoch aus den Medien, "dass die Bereitschaft in Italien, Flüchtlinge abzuschieben, deutlich größer ist als in Deutschland".
Das sei außerdem lediglich die pragmatische Sichtweise. Der stellt Knitsch den Gesundheitszustand, besonders von Mutter Mari Sh. und der älteren Tochter Sonya (17) gegenüber. "In ihren Köpfen steckt drin, dass die Abschiebung nach Italien der erste Schritt zurück nach Afghanistan ist. Ich kann diese subjektiven Ängste sehr gut verstehen", so Knitsch.
Zur Erinnerung: Nach Aussagen der Mutter, die nicht in Zweifel gezogen werden, wurde sie von den Taliban misshandelt und gefoltert, weil sie in einem Film "freizügig" aufgetreten war: Ihre Knöchel waren nicht von Stoff bedeckt. Gutachten bescheinigen der Familie nicht nur Reiseunfähigkeit, sondern sehen bei Mutter und Tochter eine hohe Selbstmordgefahr für den Fall der Abschiebung. Auch Sonya wurde in Afghanistan misshandelt.
Am Donnerstagmorgen meldete sich in der WZ-Redaktion ein Mitglied der Flüchtlingshilfe in Wuppertal, um über die Möglichkeit zu sprechen, die Zuständigkeit von der in Deutschland als besonders hart bekannten Ausländerbehörde des Kreises Mettmann nach Wuppertal zu verlagern.
Dieser Versuch ist nach Meinung von Knitsch zurzeit gar nicht das Thema. "Das Ausländeramt des Kreises hält sich nicht für zuständig." Diese Zurückhaltung dürfte damit zusammenhängen, dass auch die Beamten in Mettmann zunächst auf den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge warten, ob das Asylverfahren der Familie SH. in Deutschland oder Italien durchgeführt wird. Knitsch: "Das ist der entscheidende Punkt."
Warten ist in diesem Fall nicht das Gleiche wie Untätigkeit. "Am Sonntag sammeln wir nach den Gottesdiensten in der Neanderkirche und im Gemeindehaus Sandheide für die Familie", sagte Volker Horlitz, der Pfarrer der evangelischen Gemeinde, der sich für das Kirchenasyl stark gemacht hat. Über 300Euro an Spenden sind bereits eingegangen.
"Auch sonst gibt es nur positive Reaktionen darauf, dass wir der Familie Asyl gewähren." Aus der Schweiz hat ihn ein Erkrather angemailt, der auf Montage im Land der Eidgenossen weilt. "Er ist kein Gemeindemitglied. Ihm war es aber wichtig, uns mitzuteilen, dass er gut findet, was wir machen."
Dazu gehört auch die Übernahme aller Kosten durch die Gemeinde. Auf die Kritik, die auch im Online-Forum der WZ geäußert wird, wenn die Kirche der Familie Asyl biete, solle sie auch dafür bezahlen, sagt Horlitz schlicht: "Das tun wir doch."
Ob Schulbücher oder die Kosten für die Schulessen der drei Kinder, ob Medikamente oder Kleidung - für alle komme die Gemeinde auf. "Vieles läuft zunächst über Frau Koch", sagt Horlitz. Erika Koch leitet den Freundeskreis Flüchtlinge in Hochdahl. Sie war es, die am 19.Januar Alarm schlug - an dem Tag, als die Flüchtlingsfamilie erfuhr, dass sie am 26. Januar abgeschoben werden sollte.