Hochdahl: Frust regt den Spieltrieb an

Kita: Damit die Kinder eigene Ideen entwickeln, wurde der Kindergarten Kattendahl spielzeugfrei geräumt.

Hochdahl. Das Räuberfrühstück ist fast beendet. Anna kaut noch an ihrem Butterbrot, Cem greift nach einem letzten Stück Apfel. Dann wird zusammengeräumt, die Picknickdecken werden vom Boden des Turnraums aufgehoben. "Matschhose und Gummistiefel anziehen", ruft Erzieherin Katrin Schneider-Zimmer den rund 40 Kindern zu.

Wer seinen Reißverschluss noch nicht allein zumachen kann, lässt sich helfen; wer schon fertig ist, setzt sich auf eine Treppenstufe. Den Hosen und Stiefeln ist bereits anzusehen, was jetzt kommt: "Wir gehen in den Wald", sagt Amy strahlend, während sie mit den Schnallen ihrer rosafarbenen Regenhose kämpft. "Wir gehen jede Woche dahin und spielen. Es gibt sogar Wasser, da gehen wir rein - aber nicht zum Schwimmen", erzählt die Dreijährige.

Als auch die Letzten für das Wetter gerüstet sind, geht es in Zweierreihen und händehaltend in den Wald hinter dem Bürgerhaus. Es ist Waldtag in der Kindertagesstätte Kattendahl. Das heißt jedoch nicht, dass die Gruppe durch den Wald spaziert und eine der Erzieherinnen über Blattformen und Tierarten aufklärt. "Die Kinder erhalten keinerlei Anregung. Wir warten, was sie wollen, sie beschäftigen sich alleine", sagt Katrin Schneider-Zimmer.

Schließlich hält die Gruppe an. Der Bollerwagen mit Getränken wird an die Seite gestellt, die Trillerpfeife ertönt. "Das Signal zum Versammeln", sagt Schneider-Zimmer. "Wie weit dürft ihr gehen?", will Erzieherin Christiane Stelbrink wissen. "So weit, dass einer von den Erwachsenen uns noch sehen kann", antwortet die fünfjährige Anna mit gewissenhafter Miene.

Die Antwort ist richtig. Die 40 Kinder stoben auseinander, klettern auf Bäume, bauen Wippen oder kleine Hütten aus Ästen, buddeln im feuchten Erdboden oder bauen einen Staudamm im Wasserlauf - Langeweile sieht anders aus.

Das ist das Ziel des Projekts "spielzeugfreier Kindergarten", das die Kindertagesstätte an der Dörpfeldstraße bereits zum dritten Mal durchführt. "Ende Februar haben wir gemeinsam mit den Kindern alles Spielzeug aus den Schränken geräumt", erzählt Schneider-Zimmer. Stattdessen gab es leere Pappkartons, Decken und Kissen.

Auch die leergeräumten Schränke und restlichen Möbel standen den Kindern zur Verfügung. Das Ergebnis kindlicher Fantasie war dann beispielsweise eine Eisenbahn, ein Bus oder eine Schlittschuhbahn aus zusammengeschobenen Möbeln.

Dass den Kindern zunächst langweilig ist, ist beabsichtigt. Aus dem Frust der Langeweile heraus entwickeln sie eigene Ideen, statt sich lediglich animieren zu lassen - denn auch im späteren Leben steht nicht immer jemand zur Seite, der Schwierigkeiten beiseite räumt. "Es gibt immer Kinder, die schwerer Zugang zu diesem Projekt finden als andere. Die meisten entwickeln jedoch schnell Eigeninitiative", sagt Schneider-Zimmer. Und auch für die sechs Erzieherinnen ist der Beginn des Projekts nicht leicht. "Die Kinder sitzen anfangs oft einfach da und schauen. Es ist schwer, da nicht einzugreifen."