Wie waren die Geschlechterrollen in der Eiszeit verteilt? Die Neandertalerin rückt in den Mittelpunkt des Interesses
Mettmann · Bislang sind die Darstellungen eindeutig: Die Kerle tragen Keule und jagen. Die Frauen hüten den Nachwuchs und das Feuer. Aber stimmt diese Rollenverteilung?
(dne) Noch liegt Schweigen über der nächsten Sonderausstellung des Neanderthal Museums. Am 23. November soll jemand in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses gestellt werden, der bislang wenig beachtet wurde: die Neandertalerin. Die Ausstellung wird sich mit gängigen Klischees und Geschlechterrollen in Neanderthalergesellschaften beschäftigen und diese auf provokante Weise hinterfragen und aufbrechen. Was die Neandertalerin Jagdgefährtin und vielleicht sogar Anführerin einer Horde? Oder hütete sie in wechselnden Höhlen das Feuer, das nicht ausgehen durfte und wartete, bis die Männer – hoffentlich erfolgreich – von der Mammutjagd zurückkehrten?
In knapp einem Monat erfahren Besucherinnen und Besucher des Museums mehr. Ein Blick ins Fortbildungsprogramm lässt einige Details wenigstens erahnen. Für Lehrerinnen und Lehrer des Faches Geschichte in der Sekundarstufe 1 ist die neue Fortbildung „Stereotypes Neanderthalerin. Möglichkeiten einer gendersensiblen Geschichtsvermittlung“ im Programm, verrät eine Pressemitteilung des Kreises. In der Fortbildung erfahren die Lehrerinnen und Lehrer, wie die Forschung unvollständige Skelettfunde, Steinartefakte, Genetik und Klimadaten nutzt, um das Leben und die Gemeinschaftsformen der Menschen in der Steinzeit zu rekonstruieren. Bei einem Besuch in der neuen Ausstellung gibt es Gelegenheit, mit den Pädagoginnen und Pädagogen des Neanderthal Museums ins Gespräch zu kommen. In einem anschließenden Workshop werden Skelette untersucht, Steinzeittools angefertigt und gemeinsam erarbeitet, wie das Thema Steinzeit gendersensibel, altersgerecht und frei von Steinzeitklischees im Unterricht vermittelt werden kann. Die Fortbildung findet am 18. Februar 2025 von 10 bis 15.30 Uhr statt.
Apropos Skelettfunde. Eine etwa 75 000 Jahre alte Neandertalerin ist aus 200, ursprünglich zertrümmerten und in der Shanidar-Höhle im Nordosten des Irak gefundenen Schädelfragmenten rekonstruiert worden. Forscher der britischen Universität von Cambridge setzten für die Rekonstruktion modernste bildgebende Verfahren ein. Und herauskam: eine Mitt-Vierzigerin – nach eiszeitlicher Lebenserwartung eine Uroma, wofür die extrem abgenutzten Schneide- und Backenzähne sprechen. Das aus den Fundstücken am Computer wiederhergestellte Gesicht sieht weniger neandertalerisch und mehr menschlich aus als gedacht. Weniger Wülste, nicht so hervorstehende Augenbrauen. Es scheint an der Zeit, mit Neandertaler-Vorurteilen aufzuräumen.