„Ich will den Besuchern in der Kirche vermitteln, Gott zu erleben“
Kreisdechant Daniel Schilling über den großen Zulauf bei seinen Gottesdiensten an den Festtagen. Er freut sich auf Ostern.
Ratingen. Daniel Schilling kann sich nicht wirklich beklagen — die Zahl seiner Schäfchen schrumpft nicht besorgniserregend, etliche Gottesdienste sind gut besucht. Doch das ist kein Grund, die Mitglieder seiner katholischen Kirche aus den Augen zu verlieren — die Pfarreien brauchen Pflege und Seel-Sorge. Und als ein Seelsorger versteht sich der neue Kreisdechant in erster Linie.
Wann kommen die meisten Christen?
Schilling: Die meisten Gläubigen kommen zu den Weihnachtsgottesdiensten, auf den Plätzen dahinter rangieren Ostern, Karneval, Schützenfest.
Wie erklären Sie das?
Schilling: Mit Weihnachten verbinden die meisten Menschen die positiven Zeiten der Kindheit, schätzen die gefühlvollen Feiern. Die Begeisterung für Brauchtums-Gottesdienste erklärt sich in einer Stadt wie Ratingen selbst. Und Ostern ist ein Fest mit einem hohen theologischen Anspruch, ein Fest, das Glaube, Hoffnung und Liebe in besonderem Maße vermittelt. Das spricht viele Besucher besonders an.
Sie können sich nicht über eine leere Kirche beklagen. Sogar die Frühschichten um 6 Uhr sind gut besucht, die innenstädtische Lieblingsmesse sonntags um 12 Uhr ist so voll wie vor einem halben Jahrhundert. Liegt es an Ihren Predigten?
Schilling: Also — die Predigten allein werden es nicht sein — sind sie doch immer nach weniger als zehn Minuten gesprochen. Und man kann sie auch außerhalb des Gottesdienstes, nämlich im Internet an unterschiedlichen Stellen auch anhören. Aber ich feiere gern Gottesdienste und will den Besuchern vermitteln, dass sie wunderbare Gelegenheiten sind, Gott zu erleben. Ich versuche stets, einen direkten, praktischen Bezug zwischen irdischem Irren oder Gutsein und himmlischer Akzeptanz zu knüpfen. Ich versuche mich nicht an theologischen Glasperlenspielen, sondern weiß um den Alltag, der die Gemeinde umfängt. Da gehört auch schon mal ein Scherz dazu.
Wie bereiten Sie denn ihre Predigten vor, sind die komplett ausgearbeitet und durchformuliert?
Schilling: Nein, zu predigen, das ist für mich ein lebendiges Geschehen. Ich überlege mir, was dran ist, was mich bewegt, was ich erlebe und was in der Gemeinde passiert. Da ich sie frei halte, bleiben sie flexibel und können auch ad hoc geändert werden. Sie müssen Hand und Fuß haben und sollen von jedem verstanden werden. Sie sollen in die Tiefe und letztlich in die Weite führen.
Was bedeutet Ihre neue Tätigkeit als Kreisdechant denn für Sie?
Schilling: Zum Beispiel eine Menge zusätzlicher Sitzungen und einen strikt befolgenden Terminkalender, was in der Tat nicht einfach ist. Doch genau in diesen Sitzungen und Treffen komme ich mit kirchlichen Mitarbeitern und Kollegen im Amt zusammen, die aus ihrem Bereich Freude, Klage, Verständnis und Zweifel mitbringen. Das weitet letztlich den Blick, das gibt Impulse für die Zukunft. Das lehrt aber auch, Grenzen anzuerkennen.
Sie gelten als ein Kleriker, der den harmonischen Umgang mit seiner Umgebung schätzt und bei Konflikten „den Ölzweig schwingt“.
Schilling: Das stimmt und, damit es auch gleich gesagt ist: Ich bin auch oft gefühlsbetont. Was beides weder schändlich noch falsch ist. Mit guter Laune und positiven, sagen wir mal, Schwingungen, kann man manchen Stress gut und gescheit überwinden und dem Gegenüber Menschlichkeit vermitteln. Wenn es allerdings nötig ist, werde ich auch konfrontativ und möchte, dass die Leute klar spüren, wo ich stehe. Das gehört für mich zu einem ehrlichen Menschen.
Was ist unter der Arbeit als Dechant zu verstehen — doch nicht nur Sitzungen?
Schilling: Bei Sitzungen wird schließlich nicht nur gesessen — da wird auch kontrovers diskutiert, da wird beschlossen.