Warum das Teilchen Neujährchen heißt

Zum Jahreswechsel gibt es oft traditionelles Gebäck. Welche Sorten es gibt, erklärt Konditor Hans Hubert Bös.

Foto: Achim Blazy

Ratingen. Irgendwann ist es passiert: Es gab plötzlich nicht mehr Grau-, Weiß- oder Schwarzbrote, sondern Meisterwerke heimischer Backkunst mit Kunstnamen, die man sich kaum laut auszusprechen traut, weil sie einfach albern klingen. Beim traditionellen Gebäck zu Neujahr ist es anders. Nur weiß nicht mehr jeder auf Anhieb, was unter welchem Begriff zu verstehen ist. Hans Hubert Bös — der die dritte Generation in Konditorei und Café vertritt — hilft beim Erklären. Und schon das macht Appetit.

Neujährchen sind eigentlich Gebäckstücke aus hochwertigem Hefeteig, die aus einem oder mehreren Strängen geformt und am Ende gegenläufig zu Schnecken gedreht werden. Sie symbolisieren — so hat es mein Vater Hubert gesagt — die vier Jahreszeiten.“ — Falls man denn zwei Stränge aufeinander gebacken hat, stimmt es. Wenn nicht beim Bäcker, sondern im Privathaushalt hergestellt, wurden die Neujährchen in der Silvesternacht noch warm mit Butter der Familie serviert.

Berliner werden ebenfalls mit Hefe hergestellt, aber mit mehr Eiern, und in heißem Fett ausgebacken. Hier macht es dann die Füllung: rote Marmelade, auch gelbe, Nougatcreme oder welche mit Eierlikör sind gefragt. Die Berliner als solche werden oft schon im Voraus bestellt, wenn zum Beispiel alle 40 Gäste ein Schmalzgebäck mit Umdrehungen haben wollen.

Krapfen, auch nicht unbekannt im Rheinland, entstehen aus demselben Teig wie Berliner, haben aber einen Schuss Rum in sich und auch Rosinen. Sie werden zu Kugeln geformt oder mit dem Löffel aus der Teigschüssel gehoben und ins Fett gegeben, anschließend überzuckert und können ein bisschen wie Frikadellen aussehen.

Ganz lecker sind die Mutzenmandeln (mit langem „u“ gesprochen), süß, fettig und mit Zucker bestreut, dann ziemlich flott weggegessen. Sie werden ohne Hefe hergestellt, schwimmend in Fett gebacken und sind nicht nur zum Jahreswechsel, sondern eigentlich immer gern genommen. Vor allem zu Karneval.

Mutzen, andernorts auch Räderkuchen genannt, entstehen aus einem sehr dünn ausgerollten und in Rauten geschnittenen Teig, der beim Ausbacken Blasen werfen muss. Und, damit man das Fett nicht sieht und damit sie gut schmecken, werden sie abschließend reichlich in Puderzucker gehüllt.

„Wir machen dann auch noch diese köstlichen Kringel aus Brandteig, die ebenfalls in Pflanzenfett frittiert werden und schließlich einen satten Zuckerguss bekommen, damit sie schön saftig schmecken“, ergänzt Hans Hubert Bös. Er hat inzwischen schon den so genannten Ruhestand erreicht, steckt die Hände aber immer noch in den Teig, wenn sein Sohn Alexander in der Backstube Hilfe braucht. Und er weiß stets eine Anekdote aus seinem geliebten Ratingen zu erzählen.

Schon zu seines Vaters und Großvaters Zeiten gehörten die Neujahrs-Backwaren zum Silvesterabend, denn bis zum entscheidenden Glockenschlag wurde immer schon manches Glas geleert und danach sowieso. Das Schmalzgebackene galt als „gute Grundlage“ für eine fröhliche Partynacht.

Allerdings wurde früher noch in mehr Haushalten das traditionelle Gebäck selber hergestellt. Dafür gehen jetzt die Leckereien zum Jahreswechsel, die nachts um halb fünf noch Mehl, Butter, Eier, Hefe und Zucker waren, schon vor Mittag als handgemachte Backwaren frisch über die Theke. Die als Glücksbringer geltenden Neujahrsgebäcke in Form von Broten, Kuchen, Törtchen oder Waffeln sind ein beliebtes Gebäck, das am Neujahrsmorgen verschenkt und vielerorts auch gemeinsam verzehrt wird. In seiner ursprünglichen Bedeutung sollte das Gebäck vor Krankheit, Unglück und Hunger schützen. Zudem symbolisieren zum Beispiel Brezel und Kranz Verbundenheit, sollen Glück und Gesundheit bringen.