Der Weg zum neuen Zuhause in der Fremde

15 minderjährige Flüchtlinge sind in Wülfrath angekommen. In der Bergischen Diakonie Aprath leben vier von ihnen.

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Wülfrath. Wie soll man einem 17-jährigen erklären, dass er nicht bei seinem erwachsenen Bruder leben kann? Wie können sich die jungen Menschen zurechtfinden in einer ihnen fremden Welt, in der es zudem für ihre Betreuung strenge bürokratische Vorschriften gibt? Mit der Ankunft von 15 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die derzeit in Obhut des städtischen Jugendamtes betreut werden, stellen sich viele Fragen. Beantwortet werden diese nun unter anderem von der Bergischen Diakonie Aprath, in der seit Ende Januar vier der Jugendlichen leben.

Vor fünf Wochen startete dort eine sogenannte „Clearing-Gruppe“, in der unbegleitete minderjährige Flüchtlinge für drei bis sechs Monate ein stabiles Umfeld bekommen sollen, um — hunderte Kilometer von der Heimat entfernt — überhaupt erstmal irgendwo ankommen zu können.

Noch geht einem solchen Aufenthalt manchmal die Trennung von mitreisenden, erwachsenen Geschwistern oder Familienangehörigen voraus. Denn während die minderjährigen Flüchtlinge sofort in die Obhut des Jugendamtes der jeweiligen Stadt übergeben werden, geht es für die Angehörigen meist weiter von der Notaufnahmeeinrichtung in entfernt gelegene Unterkünfte anderer Städte.

Als sorgeberechtigt gelten in Deutschland nur die Eltern. Sind sie nicht da, gelten die Minderjährigen als unbegleitet. Beim Jugendamt weiß man um dieses Problem: „Das läuft noch nicht optimal. Manchmal braucht man auch lange, bis die Verhältnisse geklärt sind, weil Jugendliche während ihrer Flucht von den Eltern getrennt wurden“, weiß Bärbel Habermann.

An dieser Stelle kommt nun unter anderem die Clearing-Gruppe der Diakonie ins Spiel. Denn dort geht es — wie der Name schon sagt — vor allem um die Klärung der Verhältnisse. Dazu gehört auch die Frage danach, welche seelischen Spuren die Flucht möglicherweise hinterlassen hat. „Manche verkraften es besser — anderen sieht man an, dass sie schwer traumatisiert sind“, berichtet Klaus Schmidt aus dem Gruppenalltag. Als Abteilungsleiter im Bereich Jugendhilfe weiß er um die Schwierigkeiten, die eine lange Flucht und das Gefühl von Entwurzelung mit sich bringen können.

Um insgesamt zwölf Kinder und Jugendliche aufnehmen zu können, wurde in der Diakonie eine neue Wohngruppe mit sieben Plätzen geschaffen. Hinzu kommen zwei Appartements und eine betreute Wohngemeinschaft in der drei minderjährige Flüchtlinge zusammen leben.

Noch gestaltet sich die Kommunikation schwierig, bei den meisten Gesprächen wird ein Dolmetscher hinzugezogen. Allerdings besuchen die Jugendlichen von Beginn an Deutschkurse, die zum umfangreichen Angebot der tagesstrukturierenden Maßnahmen gehören. „Einige besuchen auch die internationale Schulklasse am Gymnasium“, weiß Klaus Schmidt.

Einen großen Raum nimmt auch die therapeutische Versorgung ein, die von einer Traumatherapeutin des Heilpädagogisch-Psychotherapeutischen Zentrum (HPZ) geleistet wird. Schlaflosigkeit, Aggressivität, Verzweiflung: All das seien Anzeichen einer Traumatisierung.

Bis zu sechs Monate sollen die jugendlichen Flüchtlinge in der Clearing-Gruppe der Diakonie bleiben. In dieser Zeit soll geklärt werden, wie und wo es für sie weitergehen kann. Beim Wülfrather Jugendamt überlegt man derweilen, ob die Unterbringung unbegleiteter Flüchtlinge zukünftig in Eigenregie geleistet werden kann.

„Andere Städte mieten Unterkünfte an und beauftragen einen Träger mit der Betreuung“, weiß Jugendamtsleiterin Bärbel Habermann. Ein Grund für diese Pläne dürfte die Tatsache sein, dass weitere Zuweisungen minderjähriger Flüchtlinge erwartet werden und es kaum noch eine Möglichkeit gibt, sie irgendwo unterzubringen. Hinzu kommt auch, dass die Tagessätze für einen Betreuungsplatz mit 150 bis 200 Euro ziemlich hoch liegen. „Da hoffen wir allerdings, dass die Kosten nahezu komplett vom Land übernommen werden“, sagt Habermann.