Ein Stück Wülfrath ziert jeden Mercedes
Das Unternehmen Witte stellt seit den 1950er Jahren den berühmten Mercedes-Stern her. Jährlich verlassen 250 000 Stück das Werk.
Wülfrath. Es soll ja Menschen geben, die streicheln ihn jeden Samstag beim Autowaschen. Polieren den berühmten Mercedes-Stern, damit der Glanz der noblen Automarke auch den Besitzer in einem hellen Licht erstrahlen lässt. Das Licht der Welt erblicken viele der Sterne in Wülfrath. In den Werkshallen von Witte Automotive im Gewerbegebiet Kocherscheidt werden jährlich etwa 250 000 der Markensymbole mit einem Durchmesser von 7,6 Zentimetern gestanzt, geschnitten, geschliffen, poliert und verchromt, um anschließend auf der Motorhaube ihren Platz einzunehmen.
Am Anfang sind es Barren. Silbrig glänzend, gestapelt auf Euro-Paletten, liegt das Zamak — eine Legierung aus Zink, Aluminium und Kupfer — dort bei Roman Bratuschewski. Er ist eine Art Geburtshelfer für die Rohlinge des Mercedes-Sterns, denn er legt die Barren in eine kleine Schmelze, in der das Material anschließend flüssig in einer Passform zum Rohling gestanzt wird. Der gebürtige Pole überprüft dann die Ur-Form unter einer starken Lupe. Bestehen sie sein Urteil, geht es weiter. „Wenn der gestanzte Stern nicht optimal ist, wird er wieder eingeschmolzen“, sagt der „Stern-Koordinator“ Gerd Bartsch.
„Nur rund zwei Prozent des Umsatzes macht die Stern-Produktion aus. Doch er ist natürlich ein Prestigeobjekt auch für uns als Unternehmen“, sagt Witte-Geschäftsführer Burkhard Erkens. Das Gros des Umsatzes macht Witte als Autozuliefererspezialist mit Schlössern, Türgriffen und Verriegelungstechnik.
Seit den 1950er-Jahren baut Witte die Sterne für Mercedes. Fingscheid hieß die Firma damals noch, dann wurde sie von Witte übernommen. Acht Mitarbeiter kümmern sich um das kleine, aber noble und weltberühmte Markenzeichen.
Der Rohling wandert dann in andere Hände. An den Rändern stehen Reste über, der Grat ist noch nicht perfekt. Der fertig ausgeschnittene Stern wird anschließend beschnitten, geschliffen, poliert und anschließend bei einer Galvanisierungsfirma mit einer Chromschicht überzogen. Dann ist der glänzende Stern schon nah an der Perfektion.
Anschließend wandert der kleine Stern eine Etage höher. „Früher haben wir hier mit noch mehr Mitarbeitern doppelt so viele Sterne produziert“, erzählt Bartsch. Viele Mercedes-Modelle haben heute keinen auf der Kühlerhaube thronenden Stern mehr. Er ist „eingeknickt“, denn bei etlichen Modellreihen ersetzt heute eine Stern-Plakette, die auf der Front aufliegt, den ehemals so noblen Ausweis exklusiver Fahrkultur. Nur die Fahrzeuge der E-, C- und S-Klasse haben einen vorne stehen.
Jolanta Gradowski angelt sich in der Montage die verchromten Rundlinge. Seit fast 20 Jahren kümmert sie sich um den abschließenden Einbau. Der Stern wird in seinen Fuß eingesetzt, in dem sich ein Kugelgelenk befindet. „Der Stern muss sich umklappen lassen. Zum Fußgängerschutz“, erklärt Bartsch. Fällt bei einem Unfall ein Fußgänger auf die Motorhaube, könne der Stern dank der Federung keine ernsthaften Verletzungen verursachen. Einige Exemplare werden zu guter letzt auf einer Computer-Anlage noch einmal vermessen, ob sie sich auch gefahrlos wegdrücken lassen oder ob sie zu „starr stehen“. Gegebenenfalls wird nachjustiert. Am Ende kommt’s auf Gradowskis Fingerspitzengefühl an. Dazu trägt sie weiße Wollhandschuhe. Sie fährt jedem Stern über die Linien. „Bei kleinsten Unebenheiten sortiere ich die Sterne aus“, sagt sie. Diese werden später nachbearbeitet. Die, die den Fühltest bestanden haben, werden noch einmal ordentlich poliert und wandern in schwarze Plastikkisten. Dann geht’s ab in die Mercedes-Montagewerke, wo die Sterne von Witte ihren abschließenden Platz finden. Oben drauf — majestätisch und funkelnd wie ein Stern am nächtlichen Himmel.