Wülfrath Friseur-Azubis vermissen die Praxis
Wülfrath · Die Berufseinsteiger haben es in der aktuellen Corona-Zeit nicht leicht, sich ausgiebig auf ihre Prüfungen vorzubereiten.
Natalia möchte Friseurmeisterin werden. Noch befindet sich die 24-jährige, junge Mutter im ersten Lehrjahr ihrer Friseur-Ausbildung. Corona hat ihr ordentlich zugesetzt. „Mein erster Betrieb hat die Corona-Zeit nicht überstanden und musste schließen. Seit Dezember bin ich in einem Betrieb in Wülfrath tätig und hatte gerade einmal zwei Tage Zeit um die Kollegen kennenzulernen, bevor der zweite Lockdown kam“, erinnert sich die Velberterin. „Praktische Erfahrung habe ich bisher kaum sammeln können.“ Wie ihr geht es aktuell zahlreichen Auszubildenden in dieser Berufsbranche. Unterstützung bietet die Kreishandwerkerschaft Mettmann, die in der anhaltenden Pandemiezeit zumindest die überbetrieblichen Lehrlingsunterweisungen (ÜBL) anbieten. „Im ersten Lockdown hatten wir vom 17. März bis 4. Mai geschlossen. Danach haben wir mit einem sehr durchdachten Hygienekonzept wieder öffnen dürfen und auch die Lehrgänge für unsere Auszubildenden finden statt. Um diese Möglichkeit anzubieten, haben wir in unseren Lehrwerkstätten Trennwände eingebaut und umgerüstet“, erklärt Gabriele Leßel, Abteilungsleiterin Berufsbildung der Kreishandwerkerschaft Mettmann.
Geschäftsführer Torben Viehl sieht die Zukunft der Friseurbranche trotzdem in Gefahr. Nicht nur der ohnehin drohende Nachwuchsmangel ist durch die Pandemie noch weiter gefährdet, auch sind es die Betriebe selbst, die unter den Verordnungen des Landes leiden. „Auf die November- und Dezemberhilfen haben die Betriebe keinen Anspruch, weil der Lockdown erst Mitte Dezember begann. Das Kurzarbeitergeld muss vorgelegt werden und für die Beantragung der Hilfen ab Januar muss ein Steuerberater bemüht werden. Auch das kostet Geld“, fasst Torben Viehl zusammen. „Wir reden hier von bedrohten Existenzen und persönlichen Schicksalen, die sich hinter jedem einzelnen Betrieb verbergen.“
Übungsköpfe seien eine
Alternative, aber kein Ersatz
Friseurobermeister Uwe Ranke ist immer wieder im engen Kontakt mit dem Kreisgesundheitsamt und dem Ordnungsämtern. Sein Ziel: Die praktische Ausbildung seiner Azubis sichern. „In anderen Städten darf an einem echten Modell gearbeitet werden, im Kreis Mettmann ist das nicht möglich. Daher übe ich mit den Auszubildenden an Übungsköpfen. Das ist zwar eine Alternative, aber kein richtiger Ersatz“, weiß der Obermeister. Immer wieder ist er mit Kollegen und Auszubildenden im Gespräch, und bekommt die Brisanz der aktuellen Situation deutlich mit. „Wir haben alle große Sorge, dass wir mit einem Massensterben rechnen müssen, wenn unsere Branche noch länger geschlossen bleiben muss. Nach dem ersten Lockdown haben wir viel investiert, um die Hygienekonzepte einzuhalten. Geholfen hat es uns nichts, wir mussten trotzdem wieder schließen“, so Ranke, der den Druck von vielen Seiten zu spüren bekommt. „So sind auch die Materialien, mit denen wir arbeiten, teurer geworden. Für Einmal-Handschuhe habe ich damals rund 7,50 Euro für ein Paket gezahlt. Der Preis hat sich mittlerweile verdoppelt. Einmal-Umhänge werden wie Gold gehandelt, da hat sich der Preis nahezu verdreifacht. Das kommt auf die ohnehin starke Belastung noch obendrauf.“
Für die beiden Schülerinnen Sabina (18) und Seray (17) rückt die Zwischenprüfung, die für März terminiert ist, immer näher. Sicher fühlen sich die jungen Frauen nur bedingt. „Es ist gut, dass zumindest die ÜBL stattfinden kann. Sonst habe ich nur wenige Möglichkeiten, praktische Erfahrungen zu sammeln“, gibt Sabina wieder. Sie selbst übt mitunter an Familienmitgliedern. Aber auch diese Möglichkeit ist begrenzt. Seray bekommt die Dramatik, in der sich die Betriebsinhaber befinden, aus erster Quelle mit. „Ich arbeite im Betrieb meiner Eltern. Die Finanzen sind ein großes Thema, schließlich laufen die Kosten für den Betrieb und die Gehälter weiter“, gibt sie zu bedenken. Die theoretischen Lerneinheiten können die Schüler digital bearbeiten. Die Berufsschulen haben - ebenso wie die weitere Schullandschaft – auf Distanzunterricht umgestellt. „Das funktioniert auch ganz gut“, sagt Natalia. „Wir können über das Handy von überall zugreifen und auch Rücksprache mit den Lehrern halten, wenn etwas unverständlich ist.“ Optimistisch in die Zukunft blicken die jungen Frauen aber allesamt nicht. „Immerhin wissen wir nicht, wie lange wir noch mit Corona zu kämpfen haben“, so die drei Auszubildenden.
Ob es zur Verschiebung der Prüfungen kommt, steht derzeit noch nicht fest. „Noch gehen wir davon aus, dass die Zwischenprüfungen am geplanten Datum stattfinden“, so Torben Viehl. „Wir hoffen sehr, dass wir mit unseren ÜBL dazu beitragen können, dass nicht zu viel praktischer Lernstoff für die Prüfungen verloren geht.“ Eine Verlängerung der Ausbildungszeiten kann sich Uwe Ranke auch vorstellen. „Um den verlorenen Stoff nachzuarbeiten“, argumentiert er. Und obwohl sich die Auszubildenden über das Ende ihrer Ausbildungszeit freuen, wäre diese Alterative für Natalia durchaus akzeptabel. „Ich möchte diesen Beruf unbedingt erlernen, auch wenn ich dafür etwas länger ausgebildet werden muss, um alles zu wissen. Das wäre es mir wert.“