Inklusion — „Die Situation an den Schulen ist katastrophal“
Nach 37 Jahren verlässt Schulleiter Karl-Heinz Krüger die Förderschule bei der Bergischen Diakonie.
Wülfrath. An seinen ersten Schultag als Lehrer in Aprath 1980 erinnert sich Karl-Heinz Krüger noch genau. „Ein Schüler zückte ein Messer, ein anderer schlug es ihm aus der Hand. Da dachte ich schon: ,Oha!’“, berichtet Krüger. Abgeschreckt hat den Pädagogen dieser Start in den Beruf nicht — er suchte die Herausforderung. Ende dieses Monats geht Krüger nach 37 Jahren in den Ruhestand, rund 21 davon war er Schulleiter in Aprath.
In der evangelischen Förderschule haben die Kinder einen „intensivpädagogischen Bedarf“. Zielgruppe sind Jungen und Mädchen, bei denen eine Beschulung in anderen Einrichtungen — auch Förderschulen — nicht mehr möglich ist. Normalerweise gehen sie nach dem Unterricht nicht einfach nach Hause. Auf dem Gelände der Bergischen Diakonie ist alles verzahnt: die Kinder- und Jugendpsychiatrie, die Jugendhilfe Aprath mit ihren stationären Gruppen und das heilpädagogisch-psychotherapeutische Zentrum.
In der Regel sind die Kinder zwei Jahre in der privaten Spezialschule, bei der sich knapp 40 Lehrer plus Fachpersonal um die derzeit 203 Schüler kümmern. Danach heißt das Ziel: zurück ins reguläre Schulsystem. Es gibt aber auch Fälle, in denen Schüler in Aprath ihren Haupt- oder Realschulabschluss machen.
Der Unterricht mit dem Kind ist für Krüger und sein Team mindestens genauso wichtig wie der Kontakt zur Familie. „Die Arbeit mit den Eltern ist Knochenarbeit“, sagt Krüger. Doch er weiß, dass die Situation zu Hause oftmals der Schlüssel zu den Problemen ist. „Wenn ein Junge ein Jahr lang nicht weiß, ob er in eine Pflegefamilie muss. Wie soll er da lernen?“, sagt Krüger.
Eine seiner größten Errungenschaften war die Einführung des Sesam-Konzepts, das sich bereits 1992 in Aprath mit dem Thema Inklusion befasste. Daher weiß Krüger auch, das Welten zwischen dem „Aprather Modell“ und der heutigen Inklusion an den Regelschulen liegen. An zwei Grundschulen in Heiligenhaus werden jeweils neun Kinder durch einen Sonderschullehrer und eine Sozialpädagogin gefördert — eine Quote von der normale Schulen nur träumen können.
Krüger, der schon im Alter von 35 zum Schulleiter wurde, sieht das mehr als kritisch: „Die Situation an den Schulen ist katastrophal.“ Er ist der Meinung: „Wir hatten doch ein System, das funktioniert.“ Das könne sich nur langsam verändern, nicht so abrupt wie das aktuell passiere.
Karl-Heinz Krügers Nachfolge wird Susanne Rienas antreten, die bislang den Sekundarbereich an der Schule leitete. Der baldige Pensionär verlässt die Einrichtung im Wissen, dass der erste Eindruck auch mal täuschen kann. „Ein Messer habe ich in all den Jahren nie wieder gesehen“, berichtet Krüger.