Jede Kirche besitzt ihren eigenen Charme
Ursula Liskes führte nach vier Jahren Pause wieder eine Gruppe durch den Mariendom, die Stadtkirche und die alte Wallfahrtskirche.
Neviges. Eine üppig barock dekorierte Kirche, ein Dom als begehbares Kunstwerk aus Beton und eine reformiert-nüchterne Kirche mitten in der Stadt — so unterschiedlich sind die christlichen Gotteshäuser in Neviges. Über die Wallfahrt und die Adeligen von Bernsau im Schloss Hardenberg hängen sie alle zusammen, sagt Ursula Liskes. Die Kirchenführerin aus Velbert-Nord beweist es bei ihrer Drei-Kirchen-Führung für Velbert Marketing — erstmals wieder nach vier Jahren Pause. Die Leute hätten ihr gefehlt, sagt Liskes. Und es sei ihre Idee, die Zusammenhänge so zu zeigen.
Ursula Liskes, Kirchenführerin
Die Sachkenntnis der Rentnerin zieht eine kleine Schar an. Diesmal sind es fünf Gäste. Besucherin Hannelore Terschanski aus Velbert stellt fest: „Diese Pracht in der katholischen Kirche und diese Schlichtheit in der evangelischen — das ist sehr interessant.“ Sie habe zwölf Jahre in Neviges gelebt. Bau, Einweihung und erste Jahre des modernen Doms habe sie miterlebt: „Viele haben ja Affenfelsen gesagt. Ich kam jeden Tag an der Baustelle vorbei.“
Ursula Liskes erzählt ihren Gästen eine katholische Geschichte, die mitten im evangelischen Neviges spielt und die alles zusammenbringt. Anna von Bernsau stiftete 1670 die heutige alte Wallfahrtskirche. „Das war eine Kapelle, winzig im Vergleich zu jetzt“, sagt Liskes. Sechs Jahre später habe die Adelige Mönche in den Ort geholt, Franziskaner. Dass schließlich eine immer größere Kirche notwendig wurde, dass ausgebaut wurde und die Pilger die Stadt prägten, geht zurück auf den September 1680: „Pater Antonius Schirley hatte in seiner Klosterzelle in Dorsten eine Eingebung.“ Er hörte eine Stimme, die ihm befahl: Er sollte ein bestimmtes Gnadenbild der Maria nach Neviges bringen, das damals Hardenberg hieß. Zugleich wurde ein Wunder angekündigt. Und tatsächlich erholte sich 1681 der Fürstbischof Ferdinand von Fürstenberg, Bischof von Münster und Paderborn, von vermeintlich tödlicher Krankheit - nachdem er am Gnadenbild gebetet hatte. Wie es vorhergesagt war. Die Geschichte der Wallfahrt hatte begonnen.
Die Pilger aus Dülmen in Westfalen gelten als mit die zuverlässigsten: Immer Ende Juni erscheinen sie in Neviges, seit 1682. Viele Gäste stifteten eine herrliche Barockausstattung für die Kirche. Zuletzt 1976 erweiterte Dom-Architekt Professor Gottfried Böhm den alten Bau, sagt Liskes. Er öffnete ein Seitenschiff, fügte eine Wand aus Glasbausteinen hinzu, brachte mehr Platz und Licht in die gotische Kirche.
Ursula Liskes über die Entstehung des modernen Mariendoms
Die Bürger hatten sich da längst auf die Gäste eingestellt. Liskes sagt: „Es gab viele Devotionalienläden in der Stadt, wo man Kerzen und anderes kaufen konnte. Wenn die Prozessionen kamen — mit Monstranz vorne weg — sind die Kinder hingelaufen und haben geguckt. Das war interessant!“ Die Elberfelder Straße habe damals den Spitznamen Kaffeewasserstraße erhalten: Gäste konnten an den Häusern heißes Wasser kaufen, um Kaffee zu kochen. Meist wohl billiger Getreidekaffee, sogenannter Muckefuck.
Der Dom unter der Regie des Erzbistums werde wegen der Form oft als „Zitronenpresse“ bewitzelt, sagt Liskes. Für Sie sei es eine Skulptur: „Von außen sehen wir die Zelte der Gläubigen, die auf dem Weg zu Gott sind.“ Innen zeige das Bodenmuster die Jakobsmuschel, ein Zeichen der Pilger. In einer großen Säule fand das Gnadenbild eine neue Heimat. Wunderbar farbige Glasfenster zeigen die Rose als Symbol Marias und viele weitere christliche Zeichen. Jede Einzelheit hat ihre Bedeutung. Besucherin Angelika Damiano aus Heiligenhaus erklärt, sichtlich begeistert: „Ich sehe den Dom zum ersten Mal mit anderen Augen. Ich kann jetzt ganz anders wertschätzen, was Böhm sich dabei gedacht hat.“ Liskes fügt hinzu: „Heutzutage klickt man am Computer zusammen, was man sich denkt. Aber diese Möglichkeit hatte Böhm nicht. Der hat das alles mit Skizzen und Zeichnungen gemacht.“ Es klingt bewundernd.
In der Stadtkirche wiederum schließt sich der Kreis zur Familie Bernsau. Liskes stellt fest: „Zum Schloss gehörte eine Gruft in der Kirche.“ Und ein besonderer Streit sei entbrannt, als in dem Bau von 1391 ein katholischer Adeliger bestattet werden sollte — nachdem die Kirche schon evangelisch war. Es ging mit viel Diplomatie, sagt Liskes — und ausdrücklich ohne katholische Totenmesse in dem evangelischen Gotteshaus.