Kinderschutz in Ratingen: Frühwarnsystem verfeinert

Das Jugendamt will auch Kinderärzte und Hebammen in sein Netzwerk einbinden.

<strong>Ratingen. Qualvoll verdurstet und verhungert ist die fünfjährige Lea-Sophie. Das Martyrium des kleinen Mädchens muss sich über Monate hingezogen haben - völlig unbemerkt von der Öffentlichkeit. "Natürlich kann man nie ausschließen, dass so etwas auch mal in Ratingen passiert." Sozialdezernent Rolf Steuwe ist Realist genug, keine andere Aussage zu wagen. Schließlich hat die Stadt nicht Einblicke in jede Familie, kann nicht wissen, was sich hinter mancher Wohnungstür abspielt. Aber die Stadt kann auf ein gut funktionierendes Betreuungs- und Hilfsnetzwerk zugreifen, dessen Maschen jetzt noch enger geknüpft werden. Das soziale Frühwarnsystem soll den Kinderschutz in der Stadt wirksam verbessern.

Fünf bis zehn Prozent von Gewalt und Vernachlässigung betroffen

Vor einigen Wochen trafen sich dazu auf Initiative der Stadt Vertreter von Jugend- und Schulamt mit Fachleuten der Kinder- und Jugendhilfe sowie Kinderärzte, Jugendpsychiater, Krankenhausärzte, Hebammen und Mitarbeiter des Gesundheitsamtes zu einer Fachtagung. Kinderarzt Dr.Martin Terhardt konfrontierte die Teilnehmer mit den schockierenden Zahlen, dass bundesweit fünf bis zehn Prozent aller Kinder bis sechs Jahren von Vernachlässigung und verschiedenen Formen von Gewalt betroffen seien. Ziel müsse sein, die so genannten Hochrisikogruppen zu erreichen und frühzeitig Hilfen anzubieten.

Das Dormagener Modell ist dabei nur ein Bestandteil unter vielen. Dort wird jedes Neugeborene vom Bürgermeister mit einem Geschenkpaket begrüßt - darin eine dicke Info-Broschüre mit Erziehungstipps, wichtigen Adressen und Ansprechpartnern. Außerdem können die Mitarbeiter der Stadt bei dieser Gelegenheit einen Blick in die Wohnung werfen und sich ein Bild davon machen, wie der neue Bürger aufwächst.

Ein weiterer Vorteil des engeren Netzwerkes sei: "Man kennt sich. Und dann geht man auch schneller aufeinander zu." Im Jugendamt wird hinter vorgehaltener Hand aber auch Kritik geübt: Das Netzwerk sei prima, kann aber ohne personelle Verstärkung kaum umgesetzt werden.