Lintorf: Lehrstunde mit Mr. Murphy
US-Botschafter spricht mit Schülern und sorgt am Kopernikus für Ausnahmezustand.
Lintorf. Ausnahmezustand am Kopernikus-Gymnasium: Der riesige schwarze Cadillac vor dem Haupteingang ist in der großen Pause von Dutzenden Unter- und Mittelstufenschülern umringt. Auch die beiden schweren Mercedes-Limousinen mit Blaulicht werden mit coolen Kommentaren bedacht. Dunkel gekleidete Sicherheitsleute halten die wuselnde Schülerschar in respektvollem Abstand.
Dann kommt er aus dem Schulgebäude: Seine Exzellenz Philip D. Murphy, Botschafter der USA in Deutschland. Die Leibwächter gehen voran, reißen die Wagentüren auf, doch der höchste Repräsentant der Vereinigten Staaten in Deutschland genießt noch das Johlen und Klatschen der Schüler. Er winkt hier, grüßt da, hebt die Arme: "Great guys!" Dann verabschiedet er sich von der Schulleitung und rauscht im Cadillac davon.
Zuvor hatte Murphy eineinviertel Stunden der kompletten Oberstufe des Kopernikus und Schülern des kooperierenden Bonhoeffer-Gymnasiums eine faszinierende Lehrstunde in amerikanisch erteilt. Die jungen Leute lernten in der knappen Zeit mehr, was Amerika ausmacht, als in langen Vorträgen oder Referaten.
Locker, unkompliziert, energisch und mitreißend-lebendig kam der Botschafter, der auf Einladung des CDU-Bundestagsabgeordneten Peter Beyer zur Stippvisite nach Ratingen gekommen war, mit den Oberstufenschülern ins Gespräch. Mit gut halbstündiger Verspätung ("In Tegel war alles o.k., wir hatten aber keinen Piloten") eilte er mit Generalkonsulin Janice Weiner in die Aula, wo "Empire state of mind" von Rapper Jay-Z und Soulsängerin Alicia Keys aus den Boxen tönte.
"Yeah, Alicia!", begrüßte der ranghöchste US-Repräsentant in Deutschland die Schüler und Lehrer und reckte die geballte Faust in die Höhe. Nach kurzer Begrüßung, wechselte der 53-Jährige ins Englische, zog das Jacket aus und krempelte die Ärmel hoch. Das mit US-Papierfähnchen dekorierte Rednerpult ließ er links liegen, ging im Reden auf und ab, drängte sich durch die Stuhlreihen zu den Schülern hin - zum großen Unbehagen seiner Leibwächter.
Murphy sprach über seinen Werdegang, gab Persönliches preis (die ganze Familie spielt leidenschaftlich Fußball), überraschte mit seinem Wissen über die Bundesligen, fragte die Jugendlichen nach USA-Besuchen.
Apropos Wissen: Kenntnisreich brachte Murphy den jungen Menschen seine "Helden" und deren "Botschaften" näher: von William Fulbright, dem "Erfinder" des Studienaustauschs, über die Bundeskanzler Konrad Adenauer und Willy Brandt, die Bürgerrechtlerin Rosa Parks, die als Farbige sich geweigert hatte, ihren Sitzplatz im Bus für einen Weißen zu räumen, bis hin zu Martin Luther King und den Präsidenten Kennedy und Obama - Politik und Geschichte kunstvoll in Geschichten verpackt.
Danach löcherten sonst eher reservierte Schüler den Botschafter mit Fragen. Zum Abschied überreichte Carolin Schulte dem Ehrengast eine Kopernikus-Medaille. Die Zwölftklässlerin war angetan: "Ich war schon in Amerika. Mir hat die offene, lockere Art gefallen." Angetan war auch Schulleiter Detlev Lewen: "Der Besuch des Botschafters ist schon eine Auszeichnung für uns."