Neviges ist Ansichtssache

Rund 300 Postkarten mit Motiven des Wallfahrtsortes hat Werner de Bortoli zusammengetragen. In ihnen spiegeln sich gut 100 Jahre Stadtentwicklung.

Neviges. In Zeiten von SMS und E-Mail wird die gute alte Postkarte immer mehr zum Relikt der Vergangenheit - wer versendet heute noch Ansichtskarten? Dabei sind sie nicht nur nette Erinnerungsstücke etwa an unbeschwerte Urlaubstage, sondern auch Zeitdokumente.

Werner de Bortoli hat in den vergangenen drei Jahrzehnten fast alles zusammengetragen, was jemals in Postkartenform über Neviges publiziert wurde: eine beeindruckende Sammlung von Bildern, die die Entwicklung des Wallfahrtsortes über die letzten hundert Jahre darstellt.

Den Grundstock der Sammlung legten ein paar Karten mit Nevigeser Motiven, die de Bortolis Vater, ein gebürtiger Südtiroler, vor über 30 Jahren in seiner Wohnung herumliegen hatte und eigentlich wegwerfen wollte. "Ich habe sie erst einmal an mich genommen", erinnert sich der 61-jährige Nevigeser.

Die Karten zogen ihn in ihren Bann, er machte sich auf die Suche nach weiteren Nevigeser Motiven und bald war er regelmäßiger Gast der großen Kartenbörsen. Die gibt es inzwischen praktisch kaum noch: "Heute läuft das meiste übers Internet", so de Bortoli.

Durch Tausch und Kauf wuchs die Sammlung - von der Schwarzweißaufnahme aus der Zeit der Jahrhundertwende 1900 über kunstvolle Lithographien bis zu den farbigen Karten neueren Datums.

Kein billiges Hobby: "Etwa acht Mark musste man für eine Karte rechnen", sagt der Nevigeser. Seine teuerste Erwerbung ist eine Lithographie der Zassenhaus-Brauerei, für die er seinerzeit 100 D-Mark bezahlte.

Viele Karten sind kleine Kunstwerke, aufwändig nachretuschiert und von Hand koloriert. Wallfahrt, Schloss und Bahnhof sind die vorherrschenden Motive. So zeigt eine Karte Kloster und Kirchplatz kurz nach 1900: Viele Gebäude, wie ein Teil des Klosters, der ehemalige Kindergarten und das Schwesternwohnheim sind längst verschwunden.

Sie mussten teilweise dem Mariendom weichen. Andere Aufnahmen zeigen das Schloss noch mit dem großen Teich. Und wer erinnert sich noch daran, dass der Hardenberger Bach einst offen neben der - äußerst schmalen - Bernsaustraße verlief? Oder an das einstige Straßenbahndepot?

Bei unbeschriebenen und nicht verschickten Karten ist allerdings die Datierung schwierig. Bei anderen hilft der Poststempel weiter. Ein Blick auf die Texte offenbart nicht nur fröhliche Urlaubsgrüße. So gibt es Genesungswünsche aus dem Juli 1914 an den Neffen "Willi Leinweber, z.Zt. Kinderheilstätte Aprath".

Auch ganz profane, bildlose Karten kamen häufig zum Einsatz: Da fragt ein Mitarbeiter der Nevigeser Firma "F. Hasenkamp& Cie. Eisengießerei und Maschinenfabrik" am 13.Juni 1900 bei einem Kunden in Brilon nach Maßen für eine Maschine an. Der Aufdruck "Fernsprech-Anschluß No. 3" deutet an, dass das Telefon noch nicht allzu verbreitet war...