Ein Ratinger, der gern aus der Reihe tanzt
Autor: Ulrich Scharfenorth hat ein Buch veröffentlicht, in dem er sich mit Systemfehlern in DDR und BRD auseinander setzt.
Ratingen. Er ist tatsächlich einer, der aus der Reihe tanzt. Einer, der Fragen stellt und Dinge nicht einfach hinnimmt. Ulrich Scharfenorth, Ingenieur, Journalist und Autor, wurde 1941 in Brandenburg geboren und lebt seit mittlerweile 20 Jahren in Ratingen. Kürzlich ist sein erster Erzählband mit dem viel sagenden Titel "Aus der Reihe getanzt" erschienen.
In 17 Erzählungen reflektiert er Systemfehler in der untergegangenen DDR und der heutigen BRD, mal ironisch distanziert, mal emotional engagiert, doch immer mit einem klaren Blick auf die Menschen hinter dem offenbaren Geschehen. Wieviel Autobiografisches zwischen den Zeilen liegt, lässt Scharfenorth bewusst offen - Realität, Erinnerung und Fiktion gehen fließend ineinander über.
Bis zu dieser Sammlung kunstvoll verknappter, grimmig-idealistischer Texte legte der Autor, der am liebsten nachts schreibt, "weil dann keiner anruft", einen weiten Weg zurück. Nach ersten Gedichtveröffentlichungen traute sich der Student Scharfenorth vorsichtige Kritik am DDR-System - und war mit einem Mal weg vom Fenster.
"Man durfte nicht sagen, wie es wirklich war", bringt Scharfenorth es heute auf den Punkt. Fortan schrieb er nur noch "für die Schublade" - bis nach der Wende eine Düsseldorfer Fachzeitschrift einen Redakteur suchte.
Scharfenorth, der es später bis zum Chefredakteur brachte, hatte damals von Journalismus keinen Schimmer. Dennoch bewarb er sich und legte den Papieren eine seiner Erzählungen bei. Das überzeugte. Geradezu kopfüber purzelte er in ein völlig neues Leben, packte die Koffer, schloss daheim die Türen ab und reiste in den Westen: Nach Ratingen, wo ihm sein Verlag ein möbliertes Apartment angemietet hatte. Zwar hatte er statt Kohleofen nun Zentralheizung, doch es zeigte sich, dass auch der Westen nicht das "Gelobte Land" war. Ungerechtigkeiten und Ignoranz lieferten Stoff für neue kritische Texte.
Als er 1991 zufällig auf den Literaturkreis "ERA" stieß, schloss sich ein Kreis. Er wurde freundlich aufgenommen, in seinem Schaffen bestärkt. Und dort lernte er die Schriftstellerin Barbara Ming kennen und lieben, mit der er heute zusammenlebt.
Scharfenorth schreibt viel, veröffentlicht aber wenig. Stattdessen bietet er als Moderator der Ratinger "KulturKneipe" anderen Autoren und Künstlern ein Podium, plant Bühnenprogramme, experimentiert mit neuen Medien wie Hörbuch oder Internet. In seinem Online-Blog auf www.stoerfall-zukunft.de setzt er die Arbeit zu seinem 2008 erschienen Sachbuch "Störfall Zukunft - SchlussFolgerungen für einen möglichen Anfang" fort, in dem er Alternativen zum Crashkurs unserer westlichen Wirtschaft und Kultur erforscht.
Ohne Idealismus wäre das alles nicht möglich, auch nicht ohne viel Geduld: "An manchen der Erzähltexte habe ich 30 Jahre lang gebastelt. Fertig ist ein Text erst dann, wenn er veröffentlicht ist". Der letzte Band wird es wohl nicht gewesen sein. Dafür warten noch zu viele Erzählungen in der Schublade.