Ratingen: 58 Tonnen Stahl schweben am Lintorfer Nachthimmel

Hunderte von Menschen schauten sich am Samstagabend an, wie die neuen Brückenteile installiert wurden.

Ratingen. Hunderte Schaulustige hatten sich am Samstagabend versammelt, um den Brückeneinhub in Lintorf anzusehen. Lange mussten sie bei eisigen Temperaturen ausharren, bis es um 21.53 Uhr soweit war:

Das erste von zwei Teilen des Brückenskeletts begann, über den Blyth-Valley-Ring zu schweben. Es wirkte leicht und schwerelos, wie der knallrote Spezialkran den grünen Stahlbau, der nun die Tiefenbroicher Siedlung mit dem Lintorfer Zentrum verbindet, durch die Luft zog.

Dabei wiegt das Traggerüst 58 Tonnen. Der Kran, der diese Aufgabe zu bewältigen hatte, ragte 30 Meter hoch in den Lintorfer Nachthimmel und leistete ganze Arbeit. Allein sein aufgesetztes Gegengewicht ist 300 Tonnen schwer, der Aufbau der kolossalen Maschine dauerte drei Stunden.

Das Traggerüst wiederum wurde in moderner Halbfertigbauweise errichtet. Es wurde in vier Teilen geliefert und vor Ort zusammengeschweißt. In Deutschland wird nicht oft auf diese Weise gearbeitet. Und in Ratingen auch nicht.

"Wir haben nicht viele Großbrücken hier. Da ist man schon etwas nervös", gab Tiefbauamtsleiter Gerhard Odenthal anfangs zu. "Immerhin hat es aufgehört zu regnen. Aber starke Windböen könnten ein Problem werden", sagte Peter Sprinke von der Ingenieurgesellschaft Schüßler-Plan skeptisch. Zunächst tat sich 50 Minuten nichts. Erst als mit zusätzlichen Schäkeln das optimale Gleichgewicht hergestellt werden konnte, ging es los.

Erleichterung für Odenthal, Sprinke und die anderen Zuschauer gab es eine Viertelstunde nachdem die tonnenschweren "Gräten" abgehoben hatten: Das Traggerüst, das vom Boden aus mit Seilen geführt wurde, passte wie angegossen zwischen Rampe und Mittelpfeiler.

Und so war Oldmann Melle von der Firma NE Sander Eisenbau der erste, der den Blyth-Valley-Ring in sieben Metern Höhe überquerte, als er über den Stahlträger balancierte.

Um zwei Uhr in der Nacht auf Sonntag begannen die 17 Arbeiter ebenfalls damit, 25 Zentimeter dicke Betonfertigteile anzubringen. Morgens um 6.40 Uhr folgte wurde auf der anderen Seite das Brückenteil installiert.

Die Westbahn sperrte dafür die Gleise. "Es lief optimal, beim zweiten Mal mussten wir ein bisschen mehr rangieren", berichtete Gerhard Odenthal, so dass heute keine Lücke mehr klafft, wo vor einigen Stunden noch eine war.

"Es war gigantisch", fanden Vera Penndorf und Marcus Golz. Bewaffnet mit einer Videokamera beobachteten die beiden Bewohner der Tiefenbroicher Siedlung den Einhub. "Zwar haben Fußgänger einen Umweg, aber für Autofahrer ist es eine Erleichterung. Und Krankenwagen sind nicht mehr von der Bahnschranke abhängig", sagten sie.

Bis dahin dauert es noch gut sechs Monate. "Seit über 50 Jahren träumt man hier von einer Brücke, und wir rechnen damit, dass der Traum im Frühjahr Wirklichkeit ist", sagte Bürgermeister Harald Birkenkamp. Im April soll Einweihung sein.

Durch die Westbahn, die sich bei der Festlegung der Fahrsperre schwer tat, hatten sich die Planungen um sechs bis acht Wochen verzögert. Nun kann nur noch der Frost die Arbeiten aufhalten: "Wir brauchen mindestens fünf Grad, damit der Beton bindet", hofft Polier Frank Röhling auf gemäßigte Temperaturen in den kommenden Monaten.