Ratingen: Hans Müskens - „Früher herrschte echte Konkurrenz“

Hans Müskens über die spannungsreiche Geschichte der Konfessionen in Ratingen.

Ratingen. Hans Müskens ist der katholische Sprecher des Ökumenischen Gesprächskreises in Ratingen und passionierter Historiker.

Müskens: Zunächst einmal hatte die Reformation in Ratingen einen schweren Stand. Bis ins 17.Jahrhundert hinein fand sie häufig im Untergrund statt. Prediger verbreiteten ihre Gedanken heimlich, es gab Gottesdienste auf Bauernhöfen, später auch mal mit Genehmigung des Rates im Rathaus am Markt.

Müskens: Es gab immer wieder Querelen. Etwa, wenn ein katholischer Pfarrer auf Krankenbesuch durch die Stadt ging, wurde er wegen seines Gewandes schon mal laut ausgelacht. Auch umgekehrt gab es das sicherlich. Für die evangelischen Bürger waren die Prozessionen eine Provokation.

Im Pfarrarchiv Peter und Paul liegt heute noch ein Beschwerdebrief, in dem sie sich beklagen, dass während der Prozession geschossen würde. Es handelte sich natürlich nur um Böller, die wie ein Ehrensalut gezündet wurden. Auch zwischen den Geistlichen herrschte echte Konkurrenz. Viele schauten sich auf der Straße nicht an.

Müskens: Bis weit in das 20. Jahrhundert hinein. Erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts änderte sich das drastisch. Durch den Zuzug vieler Menschen aus dem Osten veränderten sich auch die Paritäten: Vorher war etwa ein Drittel der Ratinger protestantisch, seitdem ist es eher die Hälfte.

Müskens: Oh, ja. Mein Stiefbruder hat evangelisch geheiratet und mein Vater hatte damit große Probleme. Noch ein Beispiel: Ich hatte damals einen evangelischen Schulfreund, der mich zu seiner Konfirmation in die Kirche einlud. Ich war auch dort, aber mit Herzrasen. Ständig hatte ich Angst, dass mich der Pfarrer als Eindringling entlarven könnte.

Müskens: Ganz wichtig war das 2.Vatikanische Konzil von 1961 bis 1965. In der Folge wurde etwa 1970 der Ökumenische Gesprächskreis gegründet, der bis heute existiert. Das Ziel war, dass beide Konfessionen näher zusammenrücken.

Müskens: Absolut. Es gab eine ganze Menge Ressentiments. Als junger Theologe hatte ich dort beispielsweise einen Vortrag über Maria in der Katholischen Kirche gehalten. Da wurde ich sofort mit dem Vorwurf unterbrochen, wir würden Maria anbeten.

Das war natürlich ein Vorurteil. Zum Glück sprang der evangelische Pfarrer ein und erklärte zum allgemeinen Erstaunen, dass es auch in der Stadtkirche ein Marienbild gibt. Es hat viele solcher Gespräche gebraucht, um mehr Nähe herzustellen, aber es hat sehr gut funktioniert.

Müskens: Nein, es ist zum Beispiel wichtig, auch die nachfolgenden Generationen an die Ökumene heranzuführen. Aber da ist zum Glück schon eine Menge passiert, es gibt keine Schwellenängste mehr.