Ratingen: Glaube - Die Kirchen stehen sich nah

Die Grenze zwischen den Konfessionen ist weich, besonders in Ratingen. Es könnte aber noch mehr Annäherung geben.

Ratingen. Der 10. November 1974 ist ein ganz besonderer Tag in der Ratinger Kirchengeschichte. Auf die Minute genau gleichzeitig werden die Versöhnungskirche und Heilig Geist eingeweiht. Auch optisch sind sie miteinander verwandt, die Architekten haben sich abgesprochen. Sie teilen sich sogar den gepflasterten Kirchplatz.

Was vor 34 Jahren ein bisschen revolutionär war, hat sich bis heute gefestigt: In Ratingen gibt es ein ökumenisches Leben, das völlig vergessen lässt, wie tief die Gräben einst waren.

"Die Ökumene funktioniert flächendeckend gut", meint Pfarrer Ludwin Seiwert und kann das belegen: Am Buß- und Bettag wird gemeinsam Gottesdienst gefeiert, das Glaubensforum, ein Angebot der katholischen Gemeinde, fand anfangs in der evangelischen Kirche statt und wenn am 1. Adventssonntag das gemeinsam Adventssingen ansteht, dann leiht sich der Pfarrer in der benachbarten Versöhnungskirche die große Lutherbibel aus und legt sie demonstrativ auf den Altar.

Warum auch nicht? "Wir schöpfen den Glauben aus der gleichen Bibel", sagt Seiwert. Sein evangelischer Kollege aus Lintorf, Frank Wächtershäuser, sieht das ähnlich: "Es gibt nur einen Glauben. Und wer getaufter Christ ist, ist bei uns zum Abendmahl eingeladen."

Die Christen in der Stadtmitte hat eine Baustelle zusammen geführt: Als St. Peter und Paul renoviert wurde, feierten die Katholiken nebenan in der Stadtkirche ihre Gottesdienste. Die Gastgeber gewöhnten sich an den Weihrauchgeruch und die Gäste bedanken sich seither mit einer dicken Osterkerze, die sie jedes Jahr zu den Nachbarn bringen.

Inzwischen gibt es noch eine zweite Art von Ökumene: Die ganz selbstverständliche. Es wird auch ohne äußeren Anlass gegenseitig der Gottesdienst besucht, gemischt im Chor gesungen, geheiratet und zur Wallfahrt aufgebrochen.

Auffällig ist: Die evangelische Seite betont deutlicher das Verbindende als die katholische. "Der Unterschied ist nur der Amtsbegriff, also in welcher Rolle sich der Priester versteht", meint Wächtershäuser, "ansonsten haben wir zu 95Prozent Gemeinsamkeiten. Die Unterschiede innerhalb der beiden Kirchen sind größer als zwischen den beiden."

So weit würde Ludwin Seiwert nicht gehen. "Ich vermisse in der evangelischen Kirche so manches: die sonntägliche Abendmahlsfeier, die Beichte, den Papst." Auch die Gesten des Glaubens fallen ihm bei den anderen zu kühl aus. Sich zu bekreuzigen, sich hinzuknien - "das sind nicht nur Äußerlichkeiten."

Gleichwohl ist der Wunsch nach Annäherung groß. Nur die Frage, wer da eigentlich schon weiter gegangen ist, die wird ganz unterschiedlich beantwortet.

"Die höheren Etagen der Amtskirchen tun sich etwas schwerer", schätzt Hans Müskens der im ökumenischen Gesprächskreis viel von der Basis mitbekommt. Dem widerspricht Ludwin Seiwert: "Die Geistlichen haben untereinander ein sehr gutes Verhältnis." Er wünscht sich mehr Einsatz an der Basis.

"Konfessionelle Gottesdienste sind besser besucht als ökumenische - da gibt es eine gewisse Trägheit. Niemand hat etwas gegen Ökumene, aber nur wenige engagieren sich dafür." Wächtershäuser nimmt die Hemmnisse noch anders wahr: "Die Offenheit der evangelischen Seite ist oft größer, als die Möglichkeiten der katholischen."

Und Mechthild Wolber, Pfarrgemeinderätin und Relgionslehrerin sieht es eher als eine Frage der Generationen an. Die Älteren hätten oft Vorbehalte. Wie lebendig dann Ökumene werde, liege vor allem an den Geistlichen: "Und in Ratingen ist das schwankend."