Ratingen: Körper und Sinne schärfen
Das Jugendamt bietet Box- und Fitnesskurse an. Initiator ist der Amateurboxer Mustafa Top.
Ratingen. Luisa hält ihre linke Faust auf Augenhöhe, die andere schlägt kraftvoll in die Handfläche ihrer Trainingspartnerin Gina. Mit kleinen Schritten bewegen sich die Mädchen aufeinander zu, fixieren mit dem Blick die Hände des Gegenübers.
Für beide ist das von der mobilen Jugendarbeit angebotene Box- und Fitnesstraining in der Halle der Comeniusschule eine willkommene Abwechslung zum Alltag. "Ich bin von Anfang an dabei und habe schon viel gelernt. Koordination, Kondition und verschiedene Boxtechniken", erzählt sie.
Gina ist erst später dazugekommen. "Es hat sich schnell herumgesprochen, dass es in Ratingen so ein Angebot gibt. Alle meine Freunde machen hier mit. Da wollte ich es auch mal ausprobieren", sagt die 15-Jährige.
Initiiert worden ist das Angebot von Mustafa Top. Der 27-Jährige ist selbst Amateurboxer, hatte auf seinen Lauf-Trainingsrunden am Lintorfer Schulzentrum vorbei immer wieder Jugendliche auf dem Gelände gesehen, die mit ihrer Freizeit nichts anzufangen wussten.
"Ich habe die Jungs und Mädchen dann darauf angesprochen, ob sie nicht Lust hätten, in ihrer Freizeit etwas Sinnvolles zu machen, mit Sport ihren Körper zu trainieren und die Sinne zu schärfen", erzählt Top. "Sie sollten nicht auf der Straße herumhängen und aus Langeweile auf dumme Gedanken kommen."
Mit der Hilfe von Maria Bergmann, der Sozialarbeiterin in der Mobilen Jugendarbeit, konnte Top das Sportamt überzeugen, eine Schul-Sporthalle als Trainingsort zur Verfügung zu stellen. "Als wir im Mai anfingen, waren wir neun Leute. Jetzt sind es 25."
Der jüngste in der Gruppe ist zehn, der älteste 29 Jahre alt. "Egal, welches Alter vertreten ist, egal, welcher Nationalität jeder angehört - alle trainieren miteinander, respektieren sich untereinander", sagt Trainer Top. Und das sei schließlich der Schlüssel zu einem friedlichen Miteinander.
"Im Training lernen die Jugendlichen, ihren Körper zu beherrschen", erläutert Maria Bergmann. "Und sie lernen, dass der Ehrenkodex, das Gelernte niemals in einer Auseinandersetzung anzuwenden, einzuhalten ist."
Mit Mustafa Top und Maria Bergmann hat sich das perfekte Team gebildet. Er leitet das Training, lässt die Jugendlichen schwitzen, lehrt Disziplin, ist für sie Kumpel und Vorbild zugleich. Streetworkerin Bergmann begleitet das Training, versucht über den Sport, einen Zugang zu den Jungs und Mädchen zu finden, ist die gute Seele. "Die Jugendlichen wissen, dass sie mit jedem Problem zu mir kommen können. Ob es Sorgen in der Schule sind oder Stress mit den Eltern."
Michael Rieke nimmt regelmäßig am Training teil. Durch den Sport, so sagt er, habe er wieder auf den richtigen Weg gefunden. "Ich habe viel Blödsinn gemacht. Habe gekifft und nichts auf die Reihe bekommen", erzählt der 29-Jährige offen.
Jetzt habe er wieder eine Konstante im Leben, reiße sich zusammen, wolle bald auch an Wettbewerben teilnehmen. "Er hat Talent, er kann das schaffen", motiviert Top. "In vielen schlummern Talente. Viele waren regelrecht unterfordert. Jetzt haben sie Ablenkung und können sich austoben."