Streit um Flüchtlingsstandards

Die Zahl der Asylbewerber soll wieder steigen. Gleichzeitig wirft die Wülfrather Gruppe der Stadt vor, bei der Flüchtlingsarbeit zu sparen.

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Wülfrath. Unter welchen Bedingungen sollen Flüchtlinge in Wülfrath leben? Diese Standards hat eine Arbeitsgruppe im vergangenen Jahr definiert und der Rat beschlossen. Aber wird das Papier auch umgesetzt? Wolfgang Peetz, Fraktionschef der Wülfrather Gruppe, sagte in der jüngsten Ratssitzung: „Von dem, was wir hier im Rat beschlossen haben, sind wir meilenweit entfernt.“

Der vielleicht pikanteste Vorwurf in dem Zusammenhang: Peetz glaubt, dass die Verwaltung nicht das gesamte dafür vorgesehene Geld in die soziale Arbeit mit Flüchtlingen steckt. „Wir sparen im Moment Geld“, sagte er. Bürgermeisterin Claudia Panke platzte angesichts dieser Unterstellung der Kragen. Entschieden wies sie die Vorwürfe zurück.

Darum geht es: In den verabschiedeten Flüchtlingsstandards ist festgeschrieben, wie viel soziale Betreuung auf den einzelnen Flüchtling entfallen soll. Die Arbeitsgruppe mit rund 15 Vertretern aus Politik, Verwaltung, Kirchen und Flüchtlingshilfe hatte sich auf eine Stunde pro Person im Monat geeinigt. Nach Umrechnung der Stadt ergibt das eine Quote von einer Sozialarbeiterstelle für 120 Personen. Diesen Standard definiert jede Stadt anders. Zum Vergleich: Der direkte Nachbar Velbert hat eine Zielvorstellung von 1 zu 100.

Um den selbst auferlegten Anforderungen gerecht zu werden, hat Wülfrath bereits zwei halbe Stellen für die soziale Flüchtlingsarbeit geschaffen, die zum Anfang des Jahres besetzt wurden. In seiner jüngsten Sitzung besserte der Rat noch einmal nach und ermöglichte die Schaffung einer weiteren halben Stelle. Das Ergebnis: 1,5 soziale Stellen für derzeit 210 Flüchtlinge. Für Wolfgang Peetz, scharf gerechnet, zu wenig.

Die Kritik ist aber noch umfassender: „Die Integrationsarbeit, die Wülfrath im Moment leistet, ist stark nachbesserungsbedürftig.“ So schultere diese wichtige Aufgabe derzeit noch hauptsächlich das Ehrenamt. Andreas Seidler (CDU) versuchte, die erhitzten Gemüter zu beruhigen: „Ich glaube, wir sind alle eigentlich gar nicht so weit auseinander.“

Die Flüchtlingsstandards sollen jetzt noch einmal in einer vorgezogenen September-Sitzung des Sozialausschusses unter die Lupe genommen werden. Sozialdezernentin Michaele Berster sagte gestern im Gespräch mit der WZ: „Ich finde es richtig, diese unter den neuen Rahmenbedingungen noch einmal zu diskutieren.“

Es sollen nämlich wieder mehr Flüchtlinge zugewiesen werden. Nach der Schließung der Notunterkunft fiel Wülfrath unter die Aufnahmequote von 90 Prozent. „Uns wurden von der Bezirksregierung bis zu 150 Neuzuweisungen angekündigt“, so Berster. Die Stadt möchte jedoch vereinbaren, dass die Menschen sukzessive in die Stadt kommen. Denn: Die ersten neuen Flüchtlingswohnungen an der Fortunastraße für mehr als 160 Personen sollen im Oktober bezugsfertig sein. In der neuen Unterkunft direkt neben dem Rathaus ist nach den Arbeiten bereits eine Etage bezugsfertig, eine zweite folgt noch, so dass in den ehemaligen Räumen der Freien Aktiven Schule noch einmal bis zu 80 alleinreisende Männer unterkommen könnten.

Mindestens sieben Quadratmeter Wohnraum, ein Stuhl pro Person, ein Kühlschrank im Zimmer, eine Waschmaschine pro 20 Bewohner — auch das sind Standards, die der Rat verabschiedet hat. Erst in den neuen Unterkünften ist das Ziel realistisch. Auch beim Thema freies W-LAN in den Unterkünften gehen Wunsch und Wirklichkeit noch auseinander. Nach einer Anfrage der Linken musste die Verwaltung einräumen: Noch ist nichts umgesetzt.