„Versäumnisse bei der Integration“
Aussiedler: Franz Naber kritisiert das Verfahren und die politische Sichtweise.
Ratingen. Das furchtbare Gewaltverbrechen von der Berliner Straße hat die Ratinger geschockt - und Fragen aufgeworfen. Fragen nach Integration, nach Defiziten, nach Hilflosigkeit, aber auch nach möglichen Versäumnissen.
"Die Stadt ist schon aktiv, aber ob sie immer das richtige tut?" Franz Naber, langjähriger Integrationsbeauftragter der Stadt, macht sich nicht erst seit der Bluttat vom Donnerstag seine Gedanken.
Das Thema Integration werde in Ratingen "viel zu sehr ordnungspolitisch" gesehen, dabei müsste es sozialpädagogisch angegangen werden, sagte Naber."Nach einem halben Jahr kommt der große Kulturschock"
"Die Russen gehörten im Grunde nie richtig zur Zielgruppe bei der Integration, das war politisch so gewollt. Da hieß es dann: Das sind keine Ausländer, das sind Deutsche. Und über die Jahre hin ist es dann zu Versäumnissen gekommen."
Es sei immer gesagt worden: Das mit den Aussiedlern werde ein Selbstläufer. "Das funktionierte gut, als sie noch in Gemeinschaftsunterkünften waren und gezielt Kontakte und Sprachkurse hatten. Da kam man gut an die Leute heran."
Die richtigen Probleme gibt es, wenn die Aussiedler auf eigenen Beinen stehen müssen. Naber: "Irgendwann machen aber fast alle dann die gleiche Erfahrung: Nach einem halben Jahr kommt der Kulturschock, viele überlegen dann ernsthaft, ob sie nicht wieder zurückgehen. Die meisten bleiben, ziehen sie sich aber zurück."
Dazu käme eine tiefe Frustration. "Viele hatten in Russland oder Kasachstan eine gute Berufsausbildung, die hier nicht anerkannt wird. Dazu kommen mangelhafte oder völlig fehlende Deutschkenntnisse - also auch keine Arbeit. Und Arbeit ist immer noch die beste Integration."
Es sei ein harter Kern der Russlanddeutschen, der nicht erreichbar sei. "80 Prozent", so schätzt Naber, "sind integrierbar, die restlichen 20 Prozent sind ein Problem." Ein deutscher Sozialarbeiter käme deshalb nie an die heran. "Es muss einer sein, der aus dem gleichen Umfeld kommt, dann wird er auch anerkannt." Überhaupt müsse Integration vielmehr "zur Chefsache" gemacht werden, so Naber.