Von Feuerspuckern und Adelsleuten

Mittelaltermarkt: Wo die Besucher in die geheimnisvolle Welt der Sagen und Legenden eintauchen.

Neviges. Nachdem sich Gaukler Cornelius mit nacktem Oberkörper auf Glasscherben gelegt hatte, beeindruckte er das Publikum mit riesigen Stichflammen. „Das sieht wie bei einem Drachen aus“, stellte der sechsjährige Erik fest. „Das ist Drachenblut, mit dem ich Feuer spucken kann. Siegfried hat den Drachen gar nicht erschlagen — der lebt! Einmal im Jahr fahre ich den Rhein und hole das Drachenblut“, flunkerte der Feuerspucker aus Essen dem WZ-Reporter ein Märchen vor.

Foto: Ulrich Bangert

Gewandetes Besucherpaar

In die Welt der Sagen und Legenden tauchten viele Besucher kurz nach der Eröffnung des Mittelaltermarktes ein. Einige hatten sich dem Anlass und der Zeitepoche entsprechend „gewandet“, so wie Dagmar Walkowiak aus Bochum und Ron-Pascal Knau aus Mülheim an der Ruhr. Die Angestellte aus dem öffentlichen Dienst und der Bäcker stellten ein englisches Adelspaar aus den 13. Jahrhundert dar. „So könnten der Earl und die Countess of Waxham ausgesehen haben. Wir versuchen, uns einer authentischen Darstellung anzunähern“, beschreibt das Paar sein Outfit. „Die Sachen haben wir über Jahre zusammengetragen, zum Teil selbst geschneidert, zum Teil in der Jetztzeit gekauft.“

Das ganze Wochenende in mittelalterlichem Gewand verbringt Monika Specht in dem Lager „Rennardes da Caen“ und schläft zwischen Fellen. „Nur Markt wäre doch langweilig, die Heerlager sind eine Bereicherung“, findet die Velberterin, die sich darauf freut, wenn die Tagesgäste weg sind: „Dann wird mit Met und Bier gefeiert, dazu die Gitarren hervorgeholt und alte Lieder gesungen.“

Agnes Ingenpaß aus Düsseldorf lässt es auf der Wiese am Schloss richtig krachen. Zusammen mit einigen anderen Mittelalter-Freaks aus Düsseldorf stellt sie in Vorführungen die Rüstungen und Waffen der Zeit vor. Mit Schwertern, Äxten, Geißeln, Schildern und Hellebarden gehen die Darsteller aufeinander los. „Es gab zwar keine Ritterinnen, aber handfeste Weiber, die schon mal eine Stadt verteidigen mussten“, korrigiert die IT-Expertin das Bild der Frau zwischen Antike und Neuzeit.

Neben dem Angebot an handwerklichen Waren konnten die Besucher diese Zeitepoche geschmacklich erkunden. „So ein Baumkuchen wurde schon um das Jahr 700 so gebacken“, versicherte Thomas Csernus. Den Teig, den die Ehefrau im Zelt frisch zubereitet, streicht der Ungar auf ein Holz, das sich anschließend über ein Holzkohlefeuer dreht, angetrieben durch einen Elektromotor. „Das Zugeständnis an die Gegenwart muss sein, sonst könnte ich die große Nachfrage nicht befriedigen.

„Ich finde, ein Motor gehört nicht auf einen Mittelaltermarkt“, sagt Axel Steinmann. Der Koch aus Quedlinburg dreht zwischendurch mit der Hand das Schweinchen am Spieß. „Bei dem Spanferkelchen sind die Knochen ausgelöst, es ist mit einer Fleischmasse gefüllt — das ist ein mittelalterlicher Döner.“