Wirtschaft: Viele versteckte Champions

Velbert. Was die Banken für Frankfurt sind, das ist für Velbert und Heiligenhaus die Sicherungs- und Beschlagtechnik – und das mit guten Perspektiven, meint Thorsten Enge.

Was wissen wir heute über Velberts Wirtschaft 2020? Zwölf Jahre sind lang - aber auch kurz genug, um Ansätze künftiger Entwicklungen in der Gegenwart zu suchen.

Diese Gegenwart zeigt eine Wirtschaftsstruktur, die nicht an der Velberter Stadtgrenze halt macht, sondern auch für Heiligenhaus charakteristisch ist. Beide Städte sind geprägt durch eine identische Spezialisierung und starke Verbindungen zwischen den Unternehmen.

Diese Spezialisierung basiert auf einer räumlich konzentrierten Wertschöpfungskette in einem Branchenbereich, einem sogenannten "Cluster": Was die Filmindustrie für Hollywood und Banken für Frankfurt sind, das ist für Velbert und Heiligenhaus die Sicherungs- und Beschlagtechnik.

Velbert 2020

In über 70 Unternehmen dieser Branche arbeiten in den beiden Städten mehr als 7000 Menschen, das sind 16 Prozent der Beschäftigten dieser Branche in ganz Deutschland. Hinzu kommen knapp 10 000 Arbeitsplätze in Zulieferbranchen der Sicherungs- und Beschlagtechnik, so dass in der Wertschöpfungskette des Clusters insgesamt rund 17 000 Menschen beschäftigt sind.

Dies ist ein bemerkenswertes Alleinstellungsmerkmal der "Schlüsselregion" Velbert/Heiligenhaus: Es gibt weltweit keine andere Region mit einem derartigen Cluster in diesem Branchenbereich.

Mit Blick auf 2020 stellt sich die Frage: Ist diese Spezialisierung gut oder schlecht? Droht ein Niedergang, wie ihn die montanindustriell geprägten Regionen im 20. Jahrhundert erlebt haben - oder hat die Region als "Silicon Valley" der Sicherungstechnik eine aufstrebende Zukunft vor sich?

Man kann keines der beiden Szenarien ausschließen, aber es gibt Grund für Optimismus, dass der Cluster Schließen, Sichern & Beschlag auch künftig eine starke Basis für den wirtschaftlichen Erfolg der Region bieten wird.

Dieser Optimismus basiert auf der regionalen Prägung durch zahlreiche mittelständischen Unternehmen, die eine an sich erstaunliche Eigenschaft in sich tragen: Es gelingt ihnen, als Familienbetriebe mit langer Tradition ihre Wurzeln nicht zu vergessen und sich zugleich als ausgesprochen veränderungsfähig zu erweisen.

Nichts zeigt dies besser als die regionale Antwort auf die Globalisierung: Viele Unternehmen in Velbert und Heiligenhaus sind sogenannte "hidden champions": mittelständische Weltmarktführer in speziellen Bereichen, die sich auf den globalen Märkten erfolgreich behaupten. Schon jetzt gibt es in Velbert und Heiligenhaus Unternehmen mit Exportquoten bis zu 80% - und die ausländischen Märkte werden immer wichtiger.

Die großen Automobilzulieferer der Region haben sich längst internationalisiert, sei es mit eigenen Niederlassungen auf fast allen Kontinenten oder durch strategische Allianzen mit ausländischen Partnern. Und die Unternehmen mittlerer Größe ziehen nach, bauen sukzessive ihr weltweites Netz aus.

Sie tun dies auch zum Wohle der Region: die internationalen Standorte tragen nicht unwesentlich zum Erhalt der hiesigen Arbeitsplätze bei. Was für die größeren Mittelständler schon heute Realität ist, wird 2020 auch für viele kleinere Unternehmen gelten, die mit ihrer ausgeprägten Spezialisierung in verschiedenen Bereichen der Metallbearbeitung und Kunststofftechnik wesentlich zur industriellen Stärke der Region beitragen. Viele dieser innovativen Spezialisten werden sich bis 2020 mehr und mehr international ausrichten - und ausrichten müssen.

Die Basis für internationalen Erfolg ist technologische Kompetenz: nicht billiger, sondern besser zu sein als die Wettbewerber aus aufstrebenden Staaten mit konkurrenzlos niedrigen Löhnen. Entscheidend wird daher sein, diesen Wissensvorsprung zu halten und auszubauen. Und da technologische Innovationen in den Köpfen kreativer Menschen beginnen, wird es darauf ankommen, auch 2020 attraktiv für Fach- und Führungskräfte zu sein.

Angesichts des schon bestehenden Ingenieurmangels und der absehbaren demographischen Entwicklung ist dies eine echte Herausforderung. Hier konkurrieren hiesigen Unternehmen mit weltbekannten Konzernen in attraktiven Metropolen.

Dabei gibt es viele Gründe, sich auch angesichts dieser Alternativen für den niederbergischen Mittelstand zu entscheiden. Bis 2020 müssen wir jedoch eine gute Antwort auf die Frage haben: Wissen das auch die Innovatoren von morgen?