300 Gäste feiern Nettetals Kultkneipe
Das Quartier Latin gibt es seit 50 Jahren. Zur Jubiläumsparty kamen zahlreiche Besucher, die schon in den Anfangsjahren dort Bier tranken.
Kaldenkirchen. Gesittet, brav und etwas in die Jahre gekommen — so wirkten sie, die vielen Gäste bei der Feier zum 50-jährigen Bestehen der Kneipe Quartier Latin in Kaldenkirchen. Wie sich die Zeiten ändern: „In den Anfängen war die Kneipe verrufen als Treffpunkt der langhaarigen Hippies, Gammler und Taugenichtse“, erinnerte sich Frieda Heines (61), Initiator und Organisator des Festes, schmunzelte und fügte hinzu: „Die Stammgäste von damals sind heute zumeist etablierte Bürger, halten der Kneipe aber die Treue.“
Tatsächlich kamen viele von ihnen am Samstagabend zur Bahnhofstraße in Kaldenkirchen, um anlässlich des 50. Geburtstages der Kultkneipe bis tief in die Nacht in Erinnerungen zu schwelgen. Sie standen und saßen in Gruppen, dicht gedrängt. Immer wieder Rätselraten und dann Wiedersehensfreude: „Bist du nicht der. . .?“
Die Bierzapfer hinter den Theken drinnen und am Getränkewagen draußen hatten alle Hände voll zu tun. Manche der insgesamt 300 Gäste waren mit ihren erwachsenen Kindern gekommen. Heines: „Dass Gäste von damals ihre Kinder mitbringen, das ist so typisch Quartier Latin, alles irgendwie familiär.“ Was sonst noch typisch ist für diese Kneipe, die laut Heines „Generationen geprägt hat“, darüber resümierten ehemalige und derzeitige Stammgäste.
Ludger Peters (66) aus Kaldenkirchen etwa erinnerte sich gut an die Gründerjahre: „Die Ausstattung war und ist urig, erst mit Biedermeier-Möbeln, dann zum Teil mit ausrangierten Kirchenbänken aus St. Clemens.“ Dass die Kneipe von Anfang an zu einem Magneten für junge Leute wurde, lag „auch an der Musik der 1968er- und folgenden Jahre. Rock war für viele eine Alternative zur Tanzmusik der Disko Kings“.
Vor allem aber, betonte Peters, sei der Kneipengründer eine Persönlichkeit gewesen. „Axel Langner hatte eine besondere Ausstrahlung. Er war Geschäftsmann, klar, aber mit sozialer Ader, hatte immer ein offenes Ohr für seine Gäste, für die und mit denen er viel unternahm, ob Fußball mit der Thekenmannschaft, Heiligabend-Feiern oder Kartenspiele“, sagte Peters.
„Hier waren viele Studenten, Gymnasiasten. Man wollte dazugehören, mitreden können. Für mich war das Ansporn, mich fort- und weiterzubilden. So gesehen hat das ,Axel’ mein Leben schon beeinflusst, und das ging vielen so“, erzählte Heines, der dort einige Jahre kellnerte. Ähnlich fiel Peters‘ Wertung aus: „Politik war damals in den 1970er-Jahren bei den jungen Leuten in der Kneipe immer ein Thema.“ Friedensbewegte und Atomkraftgegner galten als „links“, wurden von aufgeschreckten Spießbürgern schnell in einen Topf geworfen mit Drogenkonsumenten: „Dabei durfte in der Kneipe nie gehascht werden, da achtete Axel drauf“, stellte Heines klar.
Bis heute wird die Kneipe nach dem 1996 verstorbenen Gründer im Volksmund das „Axel“ genannt. Einmal im Monat treffen sich auf Heines’ Initiative Gäste der Gründerjahre zum Stammtisch der „Alt-Axelianer“. Mit dabei Peter Schwan (65): „Das ist immer eine schöne Runde, meist sind wir so zehn Leute.“
Das Quartier Latin übernahmen 1992 die vier Wirte Mark und Patrick Dors, Annerose Pannwitz und Thomas Kolodziej. „Wir haben versucht, die Kneipe in Axels Sinne weiterzuführen, ohne ihn zu kopieren“, erklärte Pannwitz. Auch unter der Regie der Vier blieb das Lokal Kult, und wie zu Langners Zeiten helfen auch heute Freunde der Wirte mit.