Der „gute Geist“ der Borussia
Anni Alpers (92) war 26 Jahre lang die Sekretärin des Managers Helmut Grashoff. Ein Blick in ein sehr persönliches Vereinsarchiv.
Mönchengladbach. Annemarie Alpers blättert in dem wohlsortierten Fotoalbum. Die Bilder, Bilder aus einer Zeit, die weit zurückliegt, die aber nun, während sie in ihren Erinnerungen blättert, wieder lebendig wird. Annemarie „Anni“ Alpers, wird im Januar 93. Über ein Vierteljahrhundert ihres Lebens war sie ganz nah dran an der Geschichte Borussias. Oder besser: mittendrin. Denn die gebürtige Viersenerin war von 1964 bis 1988 die Sekretärin des Gladbach-Managers Helmut Grashoff. „Ein ganz feiner Mensch“, sei der Hanseat gewesen, sagt Alpers. Und ein Mann der Tat: „Er hat auf seiner Schreibmaschine fast alles selbst getippt.“
Auch das Zeugnis, das sie bekommen hat, als sie am 31. März 1988 „aus Altersgründen und auf eigenen Wunsch“ aufhörte, hat Grashoff selbst zu Papier gebracht. Sie sei, heißt es in dem Schreiben, das von Präsident Dr. Helmut Beyer und Grashoff unterzeichnet ist, „der gute Geist unseres Clubs“ gewesen, eine „Allroundkönnerin: von der Bilanzbuchhaltung, Lohnbuchhaltung und Organisation bis hin zu ihren einzigartigen Fähigkeiten als Geschäftsstellenleiterin“. Alpers lächelt. „Nun ja“, sagt sie, „mir hat die Arbeit viel Spaß gemacht.“
Auch, wenn diese Arbeit zuweilen weit über das vertraglich vereinbarte Maß hinaus ging. Nach den Europapokal-Auslosungen mussten über Nacht die Karten für die Spiele in Düsseldorf bestellt werden, auch das war ihr Job. Und auch, manchmal neue Spieler vom Flughafen abzuholen. Wie Bernd Krauss. „Er kam von Wien nach Gladbach, er kam sonntags an. Herr Grashoff hat meinen Mann Walter und mich gebeten, ihn zu empfangen“, erzählt sie.
Auf gewisse Weise war die Tätigkeit bei Borussia ihr Traumjob. „Ich habe mal zu meiner Tante gesagt, dass ich in einem Unternehmen arbeiten will, das am Anfang noch klein ist, dann aber stetig wächst“, sagt sie. Kaum besser könnte man Borussias Werdegang zusammenfassen: Aus der niederrheinischen Provinz in die Welt hinaus trug Borussia den Namen Mönchengladbach. Und Anni Alpers saß am Puls, am Schreibtisch neben dem Büro des Machers Grashoff.
Dabei wusste sie so recht gar nicht, worauf sie sich einließ, als sie sich 1962 auf die Anzeige des Fußballvereins „einfach mal beworben“ hat. Die Geschäftsstelle der Borussen war damals noch eine zu Büroräumen umfunktionierte Wohnung über dem Café Wolschke an der Bismarkstraße. Georg Hoffmann war Geschäftsstellenleiter. Als er 1966 starb, übernahm Grashoff seine Aufgaben. „Er war der Kopf hinter Borussias Erfolg, Borussia war sein Lebenswerk“, sagt Alpers.
Sie hat einen Stapel Postkarten zurechtgelegt. Es sind Grüße aus aller Welt von den Borussen, zum Beispiel von „Klaus-Dieter Sieloff sowie Nationalmannschaft“ von der WM in Mexiko, adressiert an sie: „Frau Alpers, 405 Mönchengladbach. VfL Borussia Geschäftsstelle.“ Das reichte dem Postboten für die Zustellung.
Annemarie Alpers
Auch Hennes Weisweiler schrieb aus Mexiko, vom Meistertrainer kamen auch „recht herzliche Grüße an Dich und Deinen Gatten“ aus Israel. Grashoff schickte „liebe Grüße aus der Welt der Bananen und schlechten Schiedsrichter“ aus Ecuador, unterzeichnet hat das gesamte Team von 1967. „Die Jungs haben mir immer geschrieben, ich habe mich immer sehr gefreut“, erzählt die alte Dame, die nun in der Senioren-Residenz an der Franziskanerstraße lebt.
Eigentlich wollte sie gar nicht sprechen über ihre Zeit bei Borussia, sie war nie ein Mensch, der viel Aufhebens darum gemacht hat, dass sie eine der starken Frauen ist, die Borussias Geschichte (siehe unten) mitgeprägt haben. Doch nun plaudert sogar sie sogar ein wenig aus dem Nähkästchen. „In den Anfangsjahren bekamen die Spieler ihr Gehalt noch in Lohntüten, ich bin dann freitags zur Bank gegangen und habe das Geld abgeholt“, berichtet sie. Und erzählt von den „tollen Feten“ im „Lord Nelson“ in Düsseldorf, in der Wohnung von Gisela und Hennes Weisweiler in Kaarst oder im Partykeller von Vize-Präsident Dr. Alfred Gerhards.
Sie kennt das Innenleben des Klubs, aus dem sich der Mythos entwickelt hat, der noch heute Borussia ausmacht, hat sechs Trainer und Generationen von Spielern erlebt. Zuletzt traf sie zufällig Herbert Laumen und Horst Köppel. Es war ein herzliches Hallo. Das untermalt, was sie über Borussia sagt. „Es war alles sehr familiär. Niemand hatte einen Dünkel. Ob einer Nationalspieler war oder nicht spielte keine Rolle, alle sind normal geblieben, auch als wir Deutscher Meister geworden sind“, erklärt Alpers die Seele Borussias. 30 Jahre ist es nun her, dass Anni Alpers aufgehört hat bei Borussia. Seitdem „ist ja alles sehr gewachsen“, weiß sie. Sie war seit 1988 nicht mehr im Stadion, verfolgt aber Wohl und Weg ihres Ex-Arbeitgebers sehr genau, im Fernsehen und in der Zeitung. „Borussia war ihr Arbeitsleben und ihre Liebe“, heißt es in ihrem Zeugnis. Anni Alpers nickt. „Stimmt. Es war eine sehr schöne Zeit“, sagt sie.