Kempen/Grefrath Camping-Startup vom Niederrhein wird zur Erfolgsgeschichte
Kempen/Grefrath. · Die Cousins Joscha Stephan und Jan Philipp Harmes bieten an acht Standorten in Deutschland einen reinen Online-Wohnmobilverleih an. Und die Ziele der beiden Geschäftsführer sind ehrgeizig.
Joscha Stephan kann sich genau an seine ersten Kunden erinnern. „Sowas vergisst man nicht. Teilweise sind die Leute heute noch regelmäßig bei uns, um ihre Fahrzeuge zu mieten.“ Der 33-jährige Grefrather hat gemeinsam mit seinem Cousin Jan Philipp Harmes vor vier Jahren das Startup-Unternehmen „Roadfans“ ins Leben gerufen. Gemeinsam verleihen die beiden gebürtigen Niederrheiner (Grefrath/Kempen) Campingbusse und Wohnmobile jeglicher Größe und Ausstattung an Urlaubs- und Reisewillige. Ein Geschäft, das gerade in Zeiten von Corona boomt. „Wir haben mit sieben Fahrzeugen und unserem ersten Firmensitz in Mönchengladbach angefangen“, erzählt Jan Philipp Harmes. Das war 2017.
Im vierten Jahr ist die Fahrzeugflotte auf rund 500 Camper angewachsen. An acht Standorten in Deutschland arbeiten insgesamt 40 Mitarbeiter für das einstige Startup vom Niederrhein. Eine Erfolgsgeschichte, die so für die beiden Gründer nicht vorauszusehen war. Dabei setzt „Roadfans“ nach Angaben der beiden Geschäftsführer auf eine Branchen-Innovation im Wohnmobilverleih. „Bei Roadfans lassen sich die Fahrzeuge mit dem Smartphone öffnen und schließen. Dadurch sind Abholung und Rückgabe rund um die Uhr möglich“, erklärt Stephan. Ein Alleinstellungsmerkmal in der Branche. „Gleichzeitig war das auch der Ausgangspunkt unserer Strategie“, blickt Joscha Stephan zurück.
Das digitale Verleihangebot funktioniert, die Firma wächst
Als der ältere der beiden Geschäftsführer im Sommer 2016 spontan ein Wohnmobil mieten will, um mit Freunden an den Gardasee zu fahren, kommt Frust auf. Es besteht keine Möglichkeit, kurzfristig online einen Camper zu mieten. „Das Fahrzeug musste mindestens sieben Tage gemietet werden. Hinzu kamen Übergabe und Rücknahme, die uns Zeit kosten. Das widersprach unserer Vorstellung von Freiheit, die gerade so ein Wohnmobil doch ausstrahlt“, erzählt der 33-Jährige und beschließt: So ein Mietvorgang muss doch unkomplizierter möglich sein. Gemeinsam entwerfen die beiden Cousins ein Konzept, um ein digitales Verleihangebot auf die Beine zu stellen. Ein Projekt, das später, in Zeiten einer Pandemie, aufgrund der kontaktlosen Abhol- und Abstellmöglichkeiten doppelt gut funktionieren soll. Fragen zum Gebrauch von Camper und Wohnmobil werden bei „Roadfans“ per Erklärvideo auf der Internetseite zur Verfügung gestellt, gleichzeitig sind sie aber auch jederzeit per Handy abrufbar. „Der Kunde besitzt bei uns ein eigenes Kundenkonto, auf dem er alle wichtigen Informationen zum Fahrzeug nachschlagen kann. Wir haben voll auf die digitale Schiene gesetzt und auch relativ viel Geld in die Entwicklung der Systeme gesteckt“, sagt Stephan. Eine mittlere sechsstellige Summe haben die beiden Jung-Unternehmer in die digitale Infrastruktur ihrer Firma investiert und mit dem Online-Mietdienst anscheinend den Nerv der Zeit getroffen. Absehbar war das für beide aber nicht. „Wir kommen beide aus dem BWL und Marketingbereich. Das Schmieden von Wirtschaftsplänen gehört natürlich dazu“, versichert Harmes, schränkt aber ein: „Der Markt ist umkämpft, Innovationen müssen sich auch durchsetzen und natürlich hat uns dann auch die Pandemie ein Stück weit in die Karten gespielt.“
Die beiden Cousins kündigten ihre Jobs für die Selbstständigkeit
Ambitioniert war der Schritt der beiden Geschäftspartner, die an der Liebfrauenschule in Mülhausen ihr Abitur absolvierten, allemal. „Als die Idee aufkam, dass wir uns selbstständig machen, hatte ich eigentlich einen sicheren Job in der Marketingabteilung eines großen deutschen Automobilherstellers“, berichtet Joscha Stephan. Sein Cousin arbeitete zu dieser Zeit gerade an seiner Doktorarbeit. Die Pläne und Lebensentwürfe wurden über den Haufen geworfen. Gemeinsam entschieden sich beide für den Schritt in die Selbstständigkeit.
Nach dem ersten Jahr mit sieben Fahrzeugen in Mönchengladbach und einem Umsatz von rund 50 000 Euro nimmt die Firmengeschichte im wahrsten Sinne des Wortes Fahrt auf. Und die Ziele der beiden Geschäftsführer sind ehrgeizig. Im Februar wird zunächst die neue Firmenzentrale in Mönchengladbach bezogen, bis 2022 soll die Fahrzeugflotte des Unternehmens auf rund 800 Fahrzeuge anwachsen. Gleichzeitig soll in Wien die erste Auslandsstation von „Roadfans“ eröffnen.
Verleihmöglichkeiten gibt es bereits in den Großstädten München und Hamburg, hinzu kommen weitere Stationen in Duisburg, Essen, Köln, Monheim und Warendorf. Die beiden Stationen in Nord- und Süddeutschland sind bewusst als strategische Standorte gewählt. „Wer ohnehin auf dem Weg nach Skandinavien oder Richtung Alpen und Südeuropa ist, kann einen Großteil der Strecke mit dem eigenen Pkw zurücklegen, um dann von Hamburg oder München aus mit unseren Fahrzeugen weiterzufahren“, sagt Joscha Stephan.
Als nächste Eröffnung ist neben der Station in Wien auch die deutsche Hauptstadt Berlin vorgesehen. Und wer weiß, vielleicht lässt sich dort auch der ein oder andere Kunde aus Mönchengladbach sehen. Wundern würde es die beiden Unternehmer nicht.