Grefrath Aids-Stiftung um eine halbe Million Euro betrogen
Ein 63-jähriger Grefrather wurde gestern zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Er hatte über mehrere Jahre die Unterschrift seines mit dem HI-Virus infizierten Sohnes gefälscht.
Grefrath/Krefeld. Ein dunkler Teil der deutschen Medizingeschichte kam am Montag im Saal des Schöffengerichts Krefeld wieder zum Vorschein. Die landläufig als „Blut-Aids-Skandal“ bekannt gewordenen Vorkommnisse in den 80er und 90ern, bei denen Tausende Menschen durch mit dem HI-Virus infizierte Blutkonserven erkrankten, waren Ausgangspunkt für die Straftaten eines 63-jährigen Grefrathers.
Von 1994 bis Februar 2013 kassierte der Angeklagte von der Stiftung „Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierter Personen“ Geld in Höhe von insgesamt einer halben Million Euro für seinen an HIV erkrankten Sohn. Der wusste aber gar nichts davon — auch nicht als er schon volljährig war und den Haushalt seines Vaters lange verlassen hatte. Dafür wurde der Versicherungsvertreter zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe wegen Betrugs und Urkundenfälschung verurteilt.
Die Frau des Angeklagten und Mutter des Sohnes war bereits an dem Virus erkrankt und hatte die Krankheit wohl an ihren Sohn weitergegeben. Die Ansteckung der inzwischen verstorbenen Frau soll über eine kontaminierte Blutkonserve geschehen sein. Genau für diese Menschen war 1995 die nun durch den Grefrather betrogene Stiftung eingerichtet worden. Sie zahlt jeden Monat eine Rente in Höhe von rund 1500 Euro an Betroffene.
Bis zum Februar 2013 wusste der Sohn nicht, dass sein Vater seit Jahren Geld für ihn bekam. Er fand die Unterlagen durch Zufall. „Ich bin in Tränen ausgebrochen“, sagte der 29-Jährige vor Gericht. Seitdem hat er keinen Kontakt mehr zu seinem Vater. Der hatte, um an das Geld zu kommen, regelmäßig die Unterschrift seines Sohnes gefälscht. Zum Beispiel, als dieser mit 17 Jahren auszog oder als er selbst umzog und sicherstellen wollte, dass nur ihn jegliche Stiftungs-Post erreicht.
Während des Prozesses wurde bekannt, dass es eigentlich überhaupt keinen Anspruch auf eine Rente gab. Denn in einem in den 90er Jahren vom Angeklagten angestrengten Gerichtsverfahren hatte er nicht nachweisen können, dass seine Frau wirklich durch eine Blutkonserve erkrankt war.
Wieso die Stiftung das nie hinterfragte, beantwortete eine Mitarbeiterin im Zeugenstand so: „Die Leute starben in den 90ern rasend schnell. Man wollte sie nicht noch zusätzlich piesacken.“ Darum seien die Vergaberichtlinien locker gehandhabt worden. Inzwischen sieht sich der Sohn einem Rückforderungsbescheid in Höhe von einer halben Million Euro gegenüber. Der dürfte jetzt gegen den Angeklagten gerichtet werden. Der muss außerdem 7000 Euro an seinen Sohn zahlen.
In der Urteilsbegründung sagte der Richter, dass der 63-Jährige die Tat bei seinem Geständnis noch schönzureden versucht habe. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Haftstrafe ohne Bewährung von zwei Jahren und fünf Monaten für den Angeklagten gefordert.