Altstadt-Geflüster: Molly-Home, Alte Schulstraße.
Der neueste Klatsch aus der Stadt.
Kempen. In der Altstadt gibt’s nichts, was es nicht gibt. Kennen Sie beispielsweise Schwiegermutter-Zungen? Nun, dieses feine ligurische Gebäck bietet das Kempener Früchte- und Feinkosthaus an der Judenstraße 7 an. "Handgemacht, mit feinem Olivenöl", schwärmt Inhaber Attila Baum von seinem Sommer-Hit. "Passt herrlich zu Wein, Käse oder Oliven, als Antipasti oder zum Dipp", ergänzt Dorothea Küpper. Das Knuspergebäck in vier verschiedenen Geschmacksrichtungen und in der dekorativen Verpackung, 300 Gramm schwer, kostet 6,95 Euro. Sieht auch aus wie eine lange Zunge. Aber warum Schwiegermutter? "Das ist wohl das Geheimnis der ligurischen Bäcker. Aber dort ist diese Bezeichnung ein Begriff", schmunzelt Dorothea Küppers.
Kaum ist das Radrennen gestrichen, lässt der Kreis Viersen am Montag seine Asphalt-Cowboys anrücken und den 2,2 km langen zweispurigen Altstadtring für 165 000 Euro sanieren. Spurrillen und Risse auf der radarkontrollierten Tempo-50-Piste seien der Grund, so die Viersener Beamten. Die Arbeiten laufen halbseitig, so dass die Parkplätze weitgehend genutzt werden können. Die Arbeiten sollen fertig sein, bevor die Schule am 6. August wieder anfängt.
Die Zeit vergeht, und auch Kneipen vergehen. Selbst alteingesessene. Manche Besucher staunen, wieviel Gastronomie die Altstadt zu bieten hat. Früher aber war’s noch mehr. Hier nur ein paar Beispiele zur Einkehr-Erinnerung: Der "Lichtblick" in der Tiefstraße ist längst abgeschaltet - und das "Heidelberger Fass" direkt neben dem Kuhtor seit vielen Jahren trockengelegt. Gastro-Geschichte sind auch das vietnamnesische Restaurant genau gegenüber Café Amberg an der Ecke Vorster Straße/Ring, das "Deutsche Eck" am Viehmarkt (wo bis vor kurzem der Discounter Lidl logierte) und nicht zu vergessen das einstige "Tivolihaus" am Bahnhof, später "Gleumes". Und wer gar in die 50er und 60er Jahre zurückblickt, dem fallen noch weit mehr verblichene Kneipen ein ...
Für Haus Berg geht’s nun doch weiter. Ursprünglich wollte Hausbesitzerin Rotraud Eicker den Pachtvertrag mit der 51-Jährigen nicht verlängern. Woraufhin sich die Wirtin des beliebten Vereinslokals an der St. Huberter Straße 20 schon einen anderen Job gesucht hatte. Doch dann die Kehrtwende. Was viele Gruppierungen wie SV Thomasstadt, Arnold-Chor, KG Weiß & Blau, Behinderten-Sportgemeinschaft, Grüne Husaren, Tanzgruppe Shadows, Showband, Petri-Jünger oder Kegelvereine jubeln lässt. Renate Eymael ist im Haus Berg bereits eine Institution: Seit 13 Jahren ist die Wachtendonkerin dort tätig, davon die ersten elf unter Hermann Busch. Seit zwei Jahren führt sie selbst die Geschicke des Hauses in Bahnhofsnähe.
Einen radikaleren Rückschnitt als gewöhnlich hat das Efeu an der hohen Backsteinmauer des Propsteigartens erfahren. Dabei musste der grüne Daumen leider auch feststellen, dass das klammernde Rankgewächs Stein und Mörtel im Laufe der Jahre über Gebühr zugesetzt hat und die Mauer zudem innen feucht ist. Da muss wohl eine helfende Maurerhand her.
"Die Unterführung am Bahnhof gefällt mir nicht", hat kürzlich die Kempener Fotografin Christel Kremser in der WZ geäußert. Was den Flüsterer nachdenklich gemacht hat. Wie wär’s denn, schoss es ihm dieser Tage durch den Kopf, wenn die Kempener Künstler für das durchaus nette Plätzchen in dem Rondell oder jenseits der Schienen zum Finanzamt hin einen Ideen-Wettbewerb lostreten würden mit dem Ziel, dieser prominenten Fläche - für Neuankömmlinge das Entree in die Stadt - mehr Charakter zu verleihen. Nur so eine Idee . . .
Die Tiefstraße ist als idyllisches Gässchen auch eine Anlaufstelle für Touristen. Doch mittwochs machen die lieber einen Bogen um das Schmuck-Sträßchen: 21 Mülltonnen rotten sich an einer Stelle zusammen. Das stört auch Käthe Grzibek (82), vor deren Haustür die Tonnen versammelt sind. "Die Bewohner von Franziskaner- und Alte Schulstraße schieben ihre Behälter bei meiner Mutter vor die Haustür", ärgert sich ihre Tochter Barbara Wutschke. Als Barbara Wutschke ihre Mutter besuchen wollte, begegnete ihr eine Stadtführung. Die Leiterin sagte: "Tut mir leid, dass es hier so aussieht. Das nächste Mal nehmen wir einen anderen Weg."
Apropos Tiefstraße: Eingerüstet ist derzeit das Gebäude neben dem Haus Franziskus an der Tiefstraße 21, in dem auch die Galerie des bekennenden Impressionisten WiJo Heinen untergebracht ist. Guck an, dachte sich der Flüsterer, gibt es neue Farbe für das Haus? Nein, wusste ein Arbeiter zu berichten. "Wir erneuern nur die Dachrinne und den Kamin. Die sind schon ziemlich alt." Vielleicht reicht’s beim nächsten Mal ja für etwas mehr Fassaden-Impressionismus.
Den Wetter-Unbilden zum Trotz sind nicht nur auf der Tiefstraße Häuser in der City eingerüstet - als wäre ein interner Wettbewerb für Fassadenkletterer ausgerufen worden. Vor allem die Dachdecker turnen momentan in luftigen Höhen von Kempens Kern. Beispielsweise auf dem roten Haus am Möhlenring 79 neben der Alten Wache. Oder an der rückwärtigen Front des Kneipenhauses "Zur Altstadt" an der Neustraße 25, wo man das Gerüst vom Parkplatz 13 Wambrechiesstraße erspäht. Dachdecker Kiel erklomm gestern das Gebäude Peterstraße 37-39 zwischen Alli’s und La Belle-Mode. Und die Schmeink’schen Malerkolonnen pinseln alt-grün am Schops-Haus an der Burgstraße 5.
Die Anwohner der Alten Schulstraße trauten diese Woche ihren Augen nicht: Weiße Kästen mit grauen Rollläden wurden am "Fischhaus", Ecke Orsaystraße, angebracht. "Das eh schon durch städtische Genehmigungen vermurkste Haus wird dann wohl noch hässlicher", ärgert sich Nachbar Markus Berg von der Alten Schulstraße 18. Und hat einen geharnischten Brief an den Bürgermeister geschrieben. Verweist auf die vielen Altstadtgruppen, die bewundernd das Fachwerk und die gepflegten Häuser auf dieser Vorzeigemeile genießen - und dann durch Fischgeruch und Fassadengrauen in die Flucht geschlagen werden werden.
Es gibt aber auch Positives von der Alten Schulstraße zu berichten. Am Samstag, 4. August, steigt dort ab 16 Uhr ein Ritterfest, das die wieder zu neuem Leben erwachte Straßengemeinschaft aus der Taufe gehoben hat. Also mit Zelt-Überdachung, Feuerkörben, Holztafeln. Vor jedem Haus wird ein Strohballen platziert, in dem an einer Holzstange das Hauswappen angebracht ist - die Kreativität der Bewohner ist also gefordert. Befreundete Nachbarn der Tiefstraße sind natürlich auch willkommen. Ob jemand tatsächlich als Ritter kommt - man darf gespannt sein . . .
Ein paar Meter weiter, auf der Wiese vor dem Franziskanerkloster an der Burgstraße, kann man an der Grenzsteinstation eine neue Legende betrachten. Die Stadt hat sich nicht lumpen lassen und eine Neue spendiert, nachdem die erste Anfang Juni zerstört wurde. Der Baubetriebshof hat sie am Dienstag aufgestellt. Statt auf Holz steht die neue Tafel auf einer stabilen Metallkonstruktion. Eine Plexiglasscheibe schützt vor Schmierereien. Auch die Info-Tafel an den Grenzsteinen am Neimeshof ist schon zerbrochen worden. Und das alles schon bevor der Grenzsteinweg am 9. September offiziell eingeweiht wird.
Zum Schluss zwei Termine: Heute um 15 Uhr lädt Tina Hellmich Interessierte zu einem Rundgang durchs alte Kempen. Treff ist um 15 Uhr am Museum, Burgstraße 19. Wer mit will, zahlt zwei Euro. Ad zwo: Pilgrim-Rock. Nächsten Samstag spielt die Kempener Band Al Gusto in Kevelaer anlässlich der Motorrad-Wallfahrt. Ab 22.30 Uhr wollen die sechs Musiker mit ihrem Streifzug durch 30 Jahre Rock & Pop von den Feuerstühlen reißen.