Kultur in Kempen Berührende Klänge aus Afghanistan
Kempen · Das Anim-Ensemble entführte die Zuhörer in der Paterskirche in fremde Welten.
(tg) Ein musikalisches Erlebnis wurde dem Kempener Publikum jetzt im Kulturforum geboten. Ein fünfköpfiges Ensemble afghanischer Musiker gab im Rahmen der Konzertreihe „Klangkosmos Weltmusik in NRW“ eine Kostprobe der reichen Musiktradition dieses zentralasiatischen Landes und vermittelte auch Einblicke in die bewegte afghanische Geschichte. Die auf dem Boden sitzend spielende und traditionell gekleidete Gruppe wurde von Ustad („Meister“) Murad Sarkhosh angeleitet, der die Ghichak, eine Art Streichfidel, spielte und auch den Gesang übernahm. Ihm zur Seite stand Ustad Ibrahim Ibrahimi an der Tabla (zwei kleine Handtrommeln). Dazu kamen die „Nachwuchskräfte“ Huma Rahimi an der Sitar (gezupfte Langhalslaute), Ramez Safar an der Rubab (eine Schalenhalslaute, die als Nationalinstrument gilt) sowie Bilal Asify am Harmonium (wie ein kleines Akkordeon, einst von englischen Missionaren in Indien eingeführt).
Die Instrumente belegen die unterschiedlichen Einflüsse, denen Afghanistan in der Vergangenheit ausgesetzt war. Die in verschiedenen Besetzungen gespielten Stücke entstammten teils der klassischen afghanischen Musik, die stark von der indischen höfischen Kultur geprägt wurde, teils der Volksmusik, wobei wiederum zwischen unterschiedlichen Regionen und Völkern des Landes zu unterscheiden ist. Grundlegende Charakteristika sind das Improvisatorische, die Wiederholung der zentralen Motive, die durch die Tabla vorgegebene Rhythmik sowie die große Virtuosität der einzelnen solistischen Partien. Die Melodien deckten, gesteigert noch durch den Gesang und unterstützt durch die variable Intensität des Spiels, eine breite Palette an Emotionen von klagend bis fröhlich ab.
Die Künstler gehören dem Afghanistan National Institute of Music (Anim) an. Die Hochschule wurde 2010 mit dem Anspruch gegründet, die afghanische Musiktradition zu erforschen und fortzuführen. So sollte ein demokratisches Bildungsangebot – insbesondere auch für Frauen – gemacht werden. 2014 entstand eine Kooperation mit der Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar. Im vergangenen Jahr musste die Einrichtung mit rund 300 Angehörigen nach der Machtübernahme durch die Taliban ins Exil gehen, da sich die Intoleranz des neuen Regimes auch auf jegliche musikalische Äußerung erstreckt. Nach einer Zwischenstation in Katar hat sich das Anim mittlerweile in Portugal niedergelassen, wo es derzeit neu aufgebaut wird.
Der Konzertabend führte am Donnerstag daher nicht nur den Reichtum der afghanischen Musik vor Augen, sondern war auch ein bewegendes Zeugnis des Lebenswillens einer unterdrückten Nation.