Asyl-Urteil belastet die Kommunen
Die Stadt Kempen rechnet mit zusätzlichen Kosten von 60 000 Euro pro Jahr.
Kempen/Grefrath/Nettetal. In Karlsruhe hat am Mittwoch das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die bisherigen Geldleistungen für Asylbewerber unzureichend sind und gegen das Grundgesetz verstoßen (die WZ berichtete am Donnerstag). Die Berechnung der Sätze soll sich an den Leistungen für Hartz-IV-Empfänger orientieren: Statt 224 bekommen Asylbewerber jetzt 336 Euro. Für die Staatskasse rechnet man bundesweit mit Mehrkosten von bis zu 130 Millionen Euro im Jahr — diese treffen auch Kempen, Grefrath und Nettetal.
In Grefrath wohnen derzeit rund 30 Asylanten, untergebracht in Häusern an der Straße Am Reinersbach und am Bruchweg in Oedt. „110 000 Euro kostet das im Jahr“, sagt Gemeindesprecher Hans-Jürgen Perret. „Und nun kommen zirka 30 000 Euro hinzu.“ Darüber sei man sicher nicht erfreut, aber man müsse sich nach dem Urteil richten. „Die genaue Regelung wird sicher noch ausformuliert, so lange ist dies nur eine vorsichtige Schätzung“, so Perret.
In Nettetal ist die Zahl der Asylbewerber mehr als doppelt so groß: Etwa 70 sind es, davon wohnen 45 am Lobbericher Caudebec-Ring in der städtischen Unterkunft mit „Leichtbauweise“, so Verwaltungssprecher Arndt Venten. Bei den übrigen Asylanten handele es sich um Familien, die in Wohnungen leben.
50 000 Euro kosten die Unterkünfte im Jahr, hinzu kommen rund 60 000 Euro für Krankenhilfe und bislang 170 000 Euro für den Lebensunterhalt. „Vom Land kommt eine Mittelerstattung von 120 000 Euro“, sagt Venten. Den Rest trage die Stadt.
50 000 Euro an Mehrkosten pro Jahr erwarte man in Nettetal durch das Urteil. „Natürlich fehlt das Geld an anderer Stelle“, sagt Venten. Im schlimmsten Fall werde es einen Nachtragshaushalt geben. „Aber die Kosten sind ja noch nicht klar. Die Bundesregierung wird entscheiden, wie sie das Urteil umsetzt und dann wird man sehen, ob auch die Erstattung vom Land angepasst wird.“
Michael Klee, Beigeordneter der Stadt Kempen, war „wenig überrascht“ über die Entscheidung des Verfassungsgerichts. „Was mich aber erstaunt, ist, dass nun Summen genannt wurden“, sagt Klee. Bei einer entsprechenden Klage zu Hartz IV habe das Gericht nur einen Handlungsauftrag erteilt und eine Neuberechnung eingefordert. „Nun sollen sich die Leistungen am Hartz-IV-Satz orientieren.“ Das habe es vorher so auch nicht gegeben.
74 Asylanten leben momentan in Kempen in den Unterkünften in St. Hubert-Voesch und am Hütterweg zwischen St. Peter und Stiegerheide sowie in Wohnungen. „Betroffen sind von der neuen Vorschrift aber nur die 50, die lediglich geduldet werden“, sagt der Erste Beigeordnete Hans Ferber. Die übrigen hätten einen anderen Aufenthaltsstatus, erhielten bereits höhere Leistungen. Nach ersten Schätzungen rechne man mit Zusatzkosten von jährlich etwa 60 000 Euro. Neben Einkaufsgutscheinen bekommen die Asylanten statt 40 Euro „Taschengeld“ nun 130 Euro in bar.
Für Jeyaratnam Caniceus, Ratsherr der Kempener Grünen, eine gute Sache: „Uns war schon lange klar, dass das geändert werden muss.“ Das Asylbewerberleistungsgesetz sei veraltet, müsse neu organisiert werden.
„Die Leute sollten auch schneller die Möglichkeit bekommen, zu arbeiten“, sagt Caniceus. So könne man eine Explosion der Kosten vermeiden. Caniceus spricht aus Erfahrung: 1985 kam er selbst als Flüchtling aus Sri Lanka nach Deutschland. Heute betreut er Landsleute als Dolmetscher.
Besonders schlimm fand er als Asylbewerber die Einkaufsgutscheine. „Man fühlt sich als Mensch zweiter Klasse. Das sollte man in Kempen abschaffen, das Geld lieber in bar auszahlen, meinetwegen auch wöchentlich.“