„Bad-Umbau ist ohne Alternative“

Nach einer hitzigen Diskussion mit rund 150 Bürgern bleibt es bei der beschlossenen Sanierung des „Aqua-Sol“. Ansonsten droht der Anlage laut Stadtwerken das Aus.

Kempen/Tönisberg. Nach fast zwei Stunden Diskussion fasste sich eine Kempener Schwimmerin am Dienstagabend ein Herz. Sie richtete einen Appell an die Fraktionen des Stadtrates. Angesichts der vielen Proteste sollten die Politiker ihre Entscheidung noch einmal überdenken. Die bereits beschlossenen Umbaupläne für das Schwimmbad „Aqua-Sol“ sollten noch einmal zurückgestellt werden. „Denken Sie bitte noch einmal in Ruhe nach. Es muss jetzt nichts entschieden werden“, sagte die Bürgerin.

Foto: Kurt Lübke

Der Appell brachte nichts mehr ein. Die Fraktionen stützten die Pläne der Stadtwerke, das Bad für 7,5 Millionen Euro zu sanieren. Sie stützten die Entscheidung, dass das 50-Meter-Freiluft-Becken zugunsten eines Hallenneubaus mit einem 25-Meter-Becken, einem Multifunktionsbecken für Schwimm- und Fitnesskurse sowie einer neuen Rutsche aufgebeben wird. Lediglich der Tönisberger CDU-Ratsherr Bernd Fröchtenicht folgte dem Bürgerantrag von Jürgen Allermann, eben jenes 50-Meter-Becken nicht aufzugeben.

Das Ergebnis der Abstimmung war nicht überraschend. Vertreter von CDU, SPD, FDP, Freien Wählern Kempen (FWK) und Die Linke hatten bereits im Vorfeld auf Anfrage der WZ erklärt, dass sich am nicht öffentlichen Beschluss von Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung nichts mehr ändern werde. In der Ratssitzung erklärte dann auch Joachim Straeten für die Grünen, dass seine Fraktion weiterhin hinter den Plänen stehe. „Die Stadtwerke haben uns seriös und überzeugend dargestellt, dass der Umbau den Erhalt der Anlage langfristig sichert“, so Straeten. Es gelte, alle Nutzer unter einen Hut zu bekommen. Und das werde mit dieser neuen Lösung gelingen.

In weitgehender Einigkeit unterstützten die Fraktionen also die Geschäftsführung der Stadtwerke, die sich in den vergangenen Wochen massiver Kritik von Bürgern ausgesetzt sah. Die Politiker waren sich aber auch größtenteils darin einig, dass die Kommunikation der teils einschneidenden Veränderungen für die Nutzer nicht gut war. „Die Nutzer hätten schon vor der Beschlussfassung besser einbezogen werden müssen“, sagte Straeten. CDU-Fraktionschef Wilfried Bogedain merkte an, dass man aus diesen Kommunikationsfehlern lernen müsse.

Ähnlich sahen dies Andreas Gareißen (SPD) und Irene Wistuba (FDP). Günter Solecki (Die Linke) nahm die Geschäftsführung in Schutz: Die Gemeindeordnung erlaube der Führung der 100-prozentigen Stadttochter gar nicht, öffentlich über Investitionspläne zu sprechen. Von den Freien Wählern, die durch Werner Rennes vertreten waren, und vom fraktionslosen Jeyaratnam Caniceus gab es keine Stellungnahmen mehr.

Vor der politischen Entscheidung hatten die rund 150 Besucher der Ratssitzung, die ausnahmsweise im Tönisberger Saal „Alte Scheune“ stattfand, aber viele Fragen zum Bad-Umbau. Die Geschäftsführer Siegfried Ferling und Norbert Sandmann sowie Bürgermeister Volker Rübo (Aufsichtsratschef der Stadtwerke) bezogen Stellung. Im Kern versuchten alle drei zu verdeutlichen, dass der nun beschlossene Umbau ohne Alternative sei.

„Ich bin selbst ein begeisterter Nutzer des 50-Meter-Beckens“, sagte der Bürgermeister. Die Aufgabe des Beckens sei aber das Opfer, um die Umbaukosten im Rahmen zu halten und den langfristigen Erhalt des Aqua-Sols zu sichern. Diesen Auftrag hätten die Stadtwerke vor „ein bis zwei Jahren“ von der Stadt Kempen bekommen. Und durch die nun beschlossenen Pläne sei dieser Auftrag „hervorragend umgesetzt worden“. Auch Städte wie Willich, Kamp-Lintfort und Kleve hätten die in der Unterhaltung teuren 50-Meter-Anlagen bereits aufgegeben.

Dass aus finanzieller Sicht dringender Handlungsbedarf bestehe, sagte Geschäftsführer Sandmann. Dazu legte er erstmals öffentlich Verlust-Statistiken der vergangenen Jahre vor. Demnach habe das Bad 2016 ein Minus von rund zwei Millionen Euro eingefahren (die WZ berichtete exklusiv). 2006 waren es laut Präsentation etwa eine Million Euro. Laut Sandmann wird aktuell der Eintritt eines jeden Besuchers mit etwa sieben Euro bezuschusst. Auch nach der erlaubten steuerlichen Querfinanzierung bei verlustreichen Bäderbetrieben bliebe immer noch eine Pro-Kopf-Subvention von 4,70 Euro. „Die Zukunft des Schwimmens in Kempen ist so nicht mehr gewährleistet. So geht es nicht mehr weiter“, sagte Sandmann. Wenn es so weiterlaufe, sei eine Schließung nicht zu verhindern.

Durch den Umbau erreichen die Stadtwerke nun nach eigenen Angaben den langfristigen Erhalt des fast 50 Jahre alten Schwimmbads und der Saunalandschaft. „Wir haben uns dazu von einem renommierten Unternehmen beraten lassen. Und es gab stets einen intensiven Austausch mit der Politik in Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung“, sagte Geschäftsführer Siegfried Ferling.

Der Chef des Energieversorgers versicherte erneut, dass Schulen und Vereine weiterhin „beste Möglichkeiten“ haben werden. Es sei aber Kreativität gefragt. Um weiterhin alle Schwimmabzeichen ablegen zu können, könnten vom Deutschen Schwimmverband genehmigte Ausnahmeübungen durchgeführt werden. Zudem könne für Sprungübungen auch das Hallenbad im benachbarten Grefrath benutzt werden.

Zur Erklärung: In der neuen Halle sehen die Kempener Stadtwerke keine Sprunganlage mehr vor. Und die alte Halle wird aufgegeben. Zum Springen bleibt nur noch das Außenbecken — in den Sommermonaten. „Und das auch nur an wenigen heißen Tagen“, wie gleich mehrere Bürger anmerkten.

Überhaupt blieb am Dienstag nach 20 Uhr der Eindruck, dass die zahlreichen Besucher sich weiterhin nicht der Argumentation von Stadtwerken und Politik anschließen können. Mit enttäuschten Mienen und unter lautem Gemurmel verließen Vertreter von Bürgerinitiative, Vereinen, Schulen und Stadtsportverband den Saal. Da half auch ein weiterer Appell an diesem Abend nichts. Nämlich der von Bürgermeister Rübo, dass diese demokratische Entscheidung nun zu akzeptieren sei.

Das Großprojekt soll nach der laufenden Freibadsaison im Herbst starten. Nach und nach werden die verschiedenen Aspekte umgesetzt. 2020 soll alles fertig sein. Fragen und Antworten haben die Stadtwerke auf ihrer Homepage zusammengestellt. Der direkte Weg zum Link:

ogy.de/5w2o