Beginen — Alternative zu Kloster und Ehe
Historikerin Letha Böhringer berichtete über das Leben der Frauen-Gemeinschaften.
Kempen. Ehe oder Kloster? Die Wahlmöglichkeiten für Frauen sind während des Mittelalters nicht gerade groß. Im ausgehenden 12. Jahrhundert entwickelt sich in Brabant für sie eine neue Form, ihr Leben relativ selbstbestimmt jenseits der vorgegebenen Wege zu gestalten. Als unverheiratete oder verwitwete Frau bietet sich ihr nun die Alternative, einer Beginen-Gemeinschaft beizutreten oder auch eine selber zu gründen. Die Historikerin Letha Böhringer gibt in ihrem Vortrag „Beginen im Rheinland — Leben zwischen Kloster und Welt“ Einblicke in diese Zeit. Dazu hat der Kempener Geschichts- und Museumsverein die Expertin in den Rokokosaal des Franziskanerklosters geladen.
Letha Böhringer, Historikerin, über die Beginen
Sie schildert das Entstehen dieser Form der Laienfrömmigkeit, bei der Frau als Beginen gemeinsam in kleinerer Zahl in Konventen oder als größere Gemeinschaft in Beginenhöfen, wie sie heute noch - allerdings in Bauten des 17. Jahrhunderts — zu den Sehenswürdigkeiten u. a. von Brügge gehören. Die religiös motivierten Wohngemeinschaften, die 1230 erstmals auf deutschem Boden in Köln und Aachen dokumentiert werden, verlangen von den Frauen Ehelosigkeit. Doch nicht unbedingt auf Lebenszeit, denn es wurden keine Gelübde abgelegt. Auf diese Weise konnte man notfalls Töchter „parken“, bis ein passender Bräutigam gefunden wurde oder Nicht-Heiratswilligen eine Alternative zum Kloster bieten.
Wesentlich war für die Aufnahme in einen Beginenkonvent, dass es sich um eine ehrbare Frau handelte. So ist denn klösterliche Armut nicht unbedingt Sache der Beginen. Um ihr Leben und Wirken zu erforschen, sind Grundbücher und Testamente wichtige Quellen. Wie Böhringer auf Kölsch verdeutlicht: „Sie hatten jet an de Föß!“ Sie stammten oft aus wohlhabenden Familien und hatten dementsprechend Nachlässe zu regeln.
Sehr lebendig und mit einigen historischen Abbildungen illustriert schildert Böhringer Fragmente aus dem Leben einiger überlieferter Beginen. Leider geben die historischen Zeugnisse nicht viel über die frommen Frauen in Kempen her: „Die Quellenlage am Niederrhein ist ausgesprochen schlecht.“ 1347 wird in Kempen ein kleiner Beginenkonvent genannt.
Eine wichtige Aufgabe waren Gebete zum Seelenheil Verstorbener und das Vorbereiten der Leichname für die Beerdigung. Erst im späten Mittelalter widmen sich viele Konvente der Krankenpflege. Damit leisteten sie einen wichtigen Beitrag zur städtischen Sozialfürsorge. Das dürfte man in den Rathäusern geschätzt haben. Schließlich unterstanden die Gemeinschaften nicht der kirchlichen Obrigkeit, sondern der weltlichen.
Diese Lebensform, jedoch ohne die Ausrichtung auf die Religion, sondern als „Wohnprojekte mit den Zügen einer Sozialutopie“, so die Referentin, gibt es heute wieder, beispielsweise in Köln und Essen.