Hörgenuss mit Schlafmaske
Das „Concert in the Dark“ in der Kempener Paterskirche bot den Gästen ein wunderbares Erlebnis.
Kempen. Für das Vorzeigen seiner Eintrittskarte erhält der Besucher eine Schlafmaske — die Grundausstattung für die Nachtmusik in der Paterskirche am Freitagabend. Shawn Grocott, der musikalische Leiter des ungewöhnlichen Konzerterlebnisses „You, the Night and the Music — a Concert in the Dark“ verspricht dem wagemutigen Publikum vor dem Haupteingang der Kirche ein besonderes Erlebnis.
„Wir wollen Ihrem Hörsinn die Chance geben, sich voll zu entfalten!“ verspricht Grocott und erklärt, wie sehr man sich bei einem Konzert von seinem Sehsinn ablenken lässt. „Es wird eine Reise ins Innere, in die Phantasie! Die Klänge lassen so intensivere Bilder und Emotionen zu!“ Mit verdeckten Augen soll man bereits den Kirchenraum betreten. Dafür hatte der Künstlerische Leiter, Peter Landmann, Helfer organisiert, die in kleinen Gruppen die Besucher, die sich an einem dicken Tau festhalten können, in die Kirche zu ihren Sitzplätzen führen. Dafür wurden Stuhlkreise aufgestellt, bei denen die Hörer mit den Rücken zueinander sitzen. Wegen des stufenlosen Zugangs findet der vorsichtige Einzug der Gäste durch das Hauptportal statt — man riecht sofort, dass man sich im leicht muffigen Kirchenraum befindet. Schließlich sitzen alle und Stille kehrt in der Dunkelheit ein.
Leise Spielzeuggeräusche und Musik erklingen und die Geräusche wandern durch den Raum. Grocott spielt auf der Posaune Takte des Lieds „Der Mond ist aufgegangen“ als Leitmotiv, während die ebenfalls im Raum — meist auf Socken — umherschleichenden Ensemblemitglieder passende Musikfragmente beisteuern. Ihr Zusammenspiel entwickelt eine ungewohnt starke Räumlichkeit. Dann wird es einmal statischer, denn Peter Kreutz begleitet am Flügel als „akustischer Anker“ die Sängerin Meike Leluschko. Beide schicken meditative Klänge ins Dunkle.
Der Musik-Mix umfasst viele Genres, die alle mit den ausgewählten Stücke der Stimmung des Konzerts im Dunklen beruhigende wie träumerische Akzente geben. Da darf die bekannte Träumerei aus den Kinderszenen von Robert Schumann — hier von Glockenspiel und Gitarre umgesetzt — nicht fehlen. Südamerikanische Klänge steuert Yoana Varbanova auf dem Vibraphon bei.
Mit geschlossenen Augen scheint man jeden Ton, sein Schwingen und Nachhallen noch bewusster wahrzunehmen. Dadurch seziert man einerseits unbewusst das Stück Broken Silence von Mark Glentworth, andererseits erlebt man die Harmonien intensiver. Zsigmond Kara (Klarinette), Wolfgang Meyer (Gitarre) und Grocott (Posaune) spielen die Moonlight Serenade von Glenn Miller, die in einer solchen Nachtmusik nicht fehlen darf. Grocott hatte in seiner Einführung angekündigt, dass man ohne Programmzettel das letzte Stück des Konzerts erkennen würde. Kein Zweifel, der Song von George Harrison „Here comes the Sun“ war der musikalische Schlusspunkt. Doch die schöne Atmosphäre wollte man nicht so schnell durch Klatschen zerstören. Ein wunderbares Hörerlebnis dieses Konzert im Dunkeln!