Bekommt Kempen Stolpersteine oder nicht?

Das Thema wird am Dienstag im Kulturausschuss diskutiert. Eine Entscheidung fällt wohl kurz vor Weihnachten.

Foto: Friedhelm Reimann

Kempen. Die letzte Stadtratssitzung des Jahres am 16. Dezember dürfte spannend werden. Vor allem deshalb, weil dann über den Antrag einer Initiative entschieden wird: Bekommt Kempen Stolpersteine oder nicht? Es ist der zweite Versuch in der Thomasstadt, die Kunstaktion zum Gedenken an die Opfer des Holocaust umzusetzen. 2011 hatte sich der Rat in geheimer Wahl dagegen entschieden, 46 Stolpersteine im Stadtgebiet zuzulassen. Die Mehrheit der Politiker (21 zu 15) schloss sich damals der Meinung der Verwaltung an, dass Kempen mit anderen Angeboten ausreichende Möglichkeiten des Gedenkens bietet.

In der aktuellen Vorlage zum Kulturausschuss am Dienstag (4. November) erinnert die Verwaltung an die „lebendige Gedenkkultur“ in Kempen: „An der Stelle, wo die in der Pogromnacht niedergebrannte Synagoge stand, befindet sich heute ein Denkmal.“ Zudem gebe es seit 2004 eine Gedenkstele am Rathaus. Sie erinnert an die Mitglieder der jüdischen Gemeinde, die während des Nazi-Regimes getötet worden sind.

2011 waren diese Gedenkstätten und zum Beispiel die „behutsame Restaurierung“ des jüdischen Friedhofes genug an Gedenken. So befand es damals die Stadtspitze. Bekräftigt wird dies in der aktuellen Vorlage aus dem Rathaus: „Die Stadt Kempen hat ihren eigenen Weg des Gedenkens an diese Zeit der Entrechtung und Verfol-gung gefunden, der allerdings nie ein Ende finden sollte, sondern auch stets offen für Neues sein muss.“

Der Initiative des zweiten Stolperstein-Versuchs reicht dieser Kempener Weg nicht aus. Unter anderem deshalb, weil das Gedenken den politisch Verfolgten, Fremdarbeitern und Euthanasie-Opfern nicht gerecht werde. Die Stele am Rathaus erinnert zum Beispiel nur an jüdische Opfer. Unter den 46 Getöteten, an die mittels Stolpersteinen gedacht werden soll, sind fünf Euthanasieopfer, drei Fremdarbeiter und drei politisch Verfolgte.

„Ich halte die Stolpersteine für wichtig. Vor allem jungen Menschen kann man mit der Aktion die Gräueltaten der Nazis in Erinnerung rufen“, sagt die Schulpflegschaftsvorsitzende des Gymnasiums Thomaeum, Ute Gremmel-Geuchen. Die bekannte Kempener Organistin gehört zu den Unterstützern der Initiative. Genauso wie die beiden Pfarrer Roland Kühne und Bernd Wehner sowie Alexander Tauber, Schülersprecher am Thomaeum.

Zudem haben die Befürworter der Stolpersteine anno 2014 die Vertreter von vier weiterführenden Schulen hinter sich versammelt. Die Direktoren Benedikt Waerder (Luise-von-Duesberg-Gymnasium), Edmund Kaum (Thomaeum), Hubert Kalla (Martin-Schule) und Hans-Joachim Kornblum (Berufskolleg) haben entsprechende Unterstützerschreiben der Schulkonferenzen unterzeichnet. Es fehlen nur Real- und die neu gegründete Gesamtschule.

Unterstützung kommt auch von der Initiative „Denk mal an Kempen“. Pfarrer Kühne sei bei einer Versammlung der Bürgerinitiative, bei der er das Projekt vorstellte, mit Beifall bedacht worden, heißt es in einer Pressemitteilung.

Auf der Liste derer, die eine Patenschaft zur Finanzierung der Kosten angeboten haben, finden sich zudem einige Politiker — quer durch verschiedene Fraktionen: Georg Alsdorf (Freie Wähler), Andreas Gareißen (SPD), Josef Lamozik (CDU). Durch diese Patenschaften garantiert die Initiative, dass der Stadt Kempen bei den Steinen keine Kosten entstehen.

Auch wenn Bürgermeister Volker Rübo innerhalb von drei Jahren nicht vom Gegner zum Befürworter der Stolpersteine geworden ist, hat er sein Versprechen gehalten, eine „ergebnisoffene Verwaltungsvorlage“ vorzubereiten. Das Thema wird den Politikern lediglich zur Beratung — ohne Beschlussvorschlag — vorgelegt. Im Kulturausschuss soll nur der Beschluss gefasst werden, das Thema in den Haupt- und Finanzausschuss sowie in den Rat zu verweisen.

Somit dürfte kurz vor Weihnachten über den zweiten Stolperstein-Vorstoß entschieden werden. Dass es eine geheime Abstimmung geben wird, ist wahrscheinlich. Bei den Fraktionen gibt es nach WZ-Informationen diese Tendenz. Bei allen Emotionen stellt Bürgermeister Rübo bei diesem sensiblen Thema einen Wunsch in den Mittelpunkt: „Die Diskussion 2011 war sachlich. Das wünsche ich mir auch dieses Mal.“