Der Wasserturm: 350 000 Liter Wasser unter sich
Mehr als 100 Jahre alt ist das Kempener Bauwerk an der Hülser Straße. Es ist ein technisches Meisterstück.
Kempen. 41,5 Meter ragt er gen Himmel, 350 Tonnen kann er tragen, mehr als 100 Jahre hat er auf dem Buckel — der Kempener Wasserturm. Vom Sockel bis zu einer Höhe von 32 Metern reicht das Mauerwerk aus roten Tonziegelsteinen.
Ganz oben auf dem runden Bauwerk thront ein Stahlbehälter mit zehn Metern Durchmesser, einer Wanddicke von sieben Millimetern und einem Fassungsvermögen von 350 000 Litern Wasser. „Zum Vergleich: In eine herkömmliche Badewanne passen etwa 150 Liter“, sagt Klaus Steves, seit 1989 beim Wasserwerk beschäftigt.
Heute ist der Behälter schnörkellos, schlicht, weiß gestrichen und bei Dunkelheit blau angeleuchtet. Bis 1964 sah der Turm noch ganz anders aus. Steves: „Der alte Wasserbehälter hatte nur Platz für 250 000 Liter.“ Der Bedarf sei aufgrund wachsender Bevölkerungszahlen allerdings gestiegen.
„Der alte war auch aus Stahl, außen allerdings mit Holz verkleidet. Das wurde mit der Zeit marode“, sagt er. Der ursprüngliche Wasserbehälter war gekrönt mit einer Kuppel und einem schmucken Türmchen, heute sitzt ein schlichter Kegel oben drauf. „Früher war er schöner, heute ist er praktisch.“
Mehr Wasser bedeutet mehr Gewicht, das der Turm zu tragen hat. Deshalb hat er gleichzeitig ein „Korsett“ bekommen, wie der Wassermeister es nennt. Das bedeutet: Etwa 20 Stahlbänder spannen sich wie Ringe von oben bis unten um den Turm und klammern das Mauerwerk, so dass es nicht unter der Last zusammen brechen kann.
„Außerdem sind die Fenster zugemauert worden. Die sind häufig zu Bruch gegangen, weil zum Beispiel Vögel dagegen geflogen sind“, erklärt Steves. Und noch etwas ist neu: Sendemasten, die Mobilfunksignale in die Welt schicken.
Damit alles reibungslos funktioniert, erklimmt der Wassermeister einmal im Monat den Turm für Routinekontrollen, „oder, wenn es eine Störung gibt“. Durch eine Tür am Fuße des Turms geht es ins Innere. In der Mitte des Bauwerks führen drei Rohre von unten nach oben. „Genutzt werden heute nur noch zwei.“ Früher habe es ein Rohr für „raus“, eines für „rein“ und noch ein drittes für elektrische Leitungen gegeben. Heutzutage sei es nur noch eines für „rein“ und „raus“ und ein Überlaufrohr.
Nach oben geht es über eine Treppe aus Stahl. „Es sind 128 Stufen, von oben nach unten schaffe ich es in 37 Sekunden.“ Die Treppe sei erst ein paar Jahre alt, vorher habe eine Holztreppe an der Außenwand im Turminneren nach oben geführt. „Die neue Treppe ist sicherer“, so Steves.
Oben, direkt unter dem Wasserbehälter angekommen, etwa auf 32 Metern Höhe, geht es durch eine Tür mit feinmaschigem Gitter. Die zäunt den Wasserbehälter zum unteren Bereich hin ab und schützt vor Insekten. In der Mitte ragt ein runder Schacht nach oben — etwa fünf Meter lang mit einem Durchmesser von einem Meter.
Darin befindet sich eine Leiter. Bevor sich Steves nach oben schwingt, durchsucht er akribisch seine Taschen. „Alles, was rausfallen könnte, muss hier bleiben. Da riskiere ich nichts. Ich bin schließlich direkt über dem Wasser.“
Am oberen Ende der Röhre angekommen robbt der Wassermeister auf allen Vieren über einen schmalen Steg direkt unter der Decke des Behälters in Richtung einer Luke — unter ihm leuchten 350 000 Liter Wasser schwach türkis im schummerigen Licht. Steves stößt die Luke in der Decke auf. Mit einem Schwung zieht er sich nach draußen auf die Plattform des Behälters. Die ist zu allen Seiten leicht abschüssig und von einem Geländer umzäunt.
Der Blick darüber hinaus schweift über die Dächer von Kempen, den Königshütte-See in St. Hubert bis zu den dampfenden Schornsteinen in Uerdingen. Steves: „Bei gutem Wetter kann ich mit dem Fernglas sogar die Rheinbrücke sehen.“