Herr Klee, nach acht Jahren müssen Sie die Stadt Kempen wieder verlassen. Wie blicken Sie auf diese Zeit zurück?
Interview „Eine Stadtverwaltung muss Visionen haben – wer denn sonst?“
Kempen · Die Mehrheit des Rates will nicht mehr mit dem Dezernenten Michael Klee zusammenarbeiten. Nun endet seine Amtszeit. Im Interview mit der WZ blickt er zurück und nach vorn.
Hinter Michael Klee liegt kein einfaches Jahr 2019. Der Sozialdezernent der Stadt Kempen stand in der Kritik. Die Fraktionen von CDU, FDP und Die Linke hatten frühzeitig erklärt, den Beigeordneten nicht wiederwählen zu wollen. So kam es dann auch. Seit Herbst steht fest, dass Klee Kempen verlässt. Seine Amtszeit endet am 31. März. Mit der WZ sprach der 58-Jährige über seine acht Jahre in Kempen und über das, was nun für ihn ansteht.
Michael Klee: Überwiegend ziehe ich ein sehr positives Fazit. Ich bin sehr stolz auf das, was wir hier gemeinsam erreicht haben. Ich blicke mit Stolz auf die Mitarbeiter der Ämter in meinem Dezernat. Diese haben Großartiges geleistet. Sowohl in der Entwicklung der einzelnen Bereiche als auch in Ausnahmesituationen.
Was meinen Sie da konkret?
Klee: Nun, die Ausnahmesituation schlechthin war die Flüchtlingskrise 2015. Als wir hier quasi über Nacht Flüchtlinge in der Turnhalle des Berufskollegs unterbringen mussten, haben die Mitarbeiter der Stadt Kempen alle an einem Strang gezogen. Hunderte Menschen kamen übers Wochenende in Kempen an und am Montag standen hier knapp 20 Mitarbeiter in meinem Büro und haben gefragt, wo sie helfen können. Diese Aufgabe haben wir toll gemeistert – auch in guter Zusammenarbeit mit dem Kreis Viersen. Nicht nur an besagtem Wochenende, insgesamt war das eine gute Arbeit. Wenn ich daran zurückdenke, ist das ganz schön emotional.
In welchen Bereichen hat das Dezernat B aus Ihrer Sicht Fortschritte gemacht?
Klee: Auch wenn es immer wieder negative Schlagzeilen gibt, steht die Stadt Kempen im Vergleich zu anderen Kommunen in der Kinderbetreuung gut da. Bis jetzt ist es uns immer gelungen, alle Kinder in Kitas oder in der Kindertagespflege zu versorgen. Das geht mir in der ganzen Kritik viel zu sehr unter. Große Fortschritte haben wir in der Quartiersentwicklung gemacht. Sowohl im Hagelkreuzviertel als auch in St. Hubert und Tönisberg. Dass es in den Stadtteilen einen Zusammenhalt gibt, der von der Kommune gefördert wird, ist ungeheuer wichtig für die Zukunft einer Stadt.
Sie haben also Erfolge vorzuweisen. Trotzdem müssen Sie nun gehen. Was haben Sie denn falsch gemacht?
Klee: Mit dieser Frage habe ich mich intensiv beschäftigt. Die Antwort darauf ist mit einer anderen Frage verbunden: Was ist eigentlich die Rolle des Dezernenten für Soziales, Schule, Jugend, Senioren und Sport? In erster Linie sollte ich Defizite aufzeigen, Bedarfe erkennen und anmelden, Handlungsempfehlungen geben, Konzepte erstellen. Meist sind die Felder in meinem Dezernat aber mit baulichen Aspekten versehen. Und womöglich habe ich in dieser Schnittmenge zu viele Aufgaben übernommen.
Sie zielen darauf ab, dass Sie zum Beispiel bei den Aufzügen für die Gesamtschule und im Projekt Begegnungszentrum planerische Aufgaben übernommen und vergeben haben.
Klee: Ja, unter anderem. Ich habe in diesen Projekten gesehen, dass wir da nicht richtig in der Spur sind. Um etwas zu verwirklichen, habe ich zu viele Aufgaben angenommen. Ich habe unterschätzt, was das in anderen Bereichen des Rathauses auslöst. Dass dieses Vorgehen auch ins Gegenteil umschlagen kann.
Ein Vorwurf aus der CDU lautete, dass Sie zu visionär arbeiten. Aus Sicht der Fraktion war das bei den Themen Begegnungszentrum und Schulcampus ein Problem. Wie stehen Sie zu dieser Kritik?
Klee: In der ersten Analyse zum Schulcampus ging es darum, völlig ohne Scheuklappen zu denken. Das hat das beauftragte Büro auch getan. In Kempen geht man an dieses und auch andere Projekte häufig zuerst mit der Frage heran, was denn überhaupt möglich sei. Aber eine Stadtverwaltung muss doch auch mal Visionen haben und aufzeigen. Wer soll die denn sonst haben? Wenn ich aus meinem Büro auf die wunderschöne Innenstadt blicke, haben doch Visionen hier zu großem Erfolg geführt. Die Visionen von Stadtdirektor Hülshoff haben Kempen zu dem gemacht, was es heute ist. Im Übrigen sind wir jetzt bei den Schulen auch schon wieder bei Neubau-Überlegungen. So weit weg waren die ersten Ideen vom jetzigen Stand nicht.
Die Spitze einer Verwaltung muss also Visionen haben. Was müssen Führungskräfte noch mitbringen?
Klee: Es muss immer darum gehen, selbst kreativ zu sein und die Kreativität der Mitarbeiter zu fördern. In vielen Bereichen kommt die Kreativität wegen der personellen Probleme und der Fülle an Aufgaben leider zu kurz. Vor allem muss sich die Führung aber vor die Mitarbeiter stellen. Fehler dürfen gemacht werden und man muss aus ihnen lernen.
Sie sprechen die Aufgabenfülle an. Ist denn das Dezernat B mit seinen Bereichen noch richtig zugeschnitten?
Klee: Absolut. Der Zuschnitt des Dezernates war damals ein Hauptgrund, mich auf die Stelle zu bewerben. Im Prinzip begleitet das Dezernat die Kempener von der Geburt bis ins Seniorenheim. Das ist aus meiner Sicht ein idealer Zuschnitt, der nicht verändert werden sollte. Bei den Überlegungen zu meiner Rolle in diesem Dezernat bin ich zu einem Vergleich mit einem Ober im Restaurant gekommen. Ich erkenne die Bedarfe der Gäste und gebe sie in die Küche weiter. Dann sehe ich, dass in der Küche wieder ein Koch krank ist. Ich muss die Gäste etwas vertrösten, vielleicht alternative Lösungen suchen. In der Küche gibt es aber weiterhin Probleme. Und jetzt muss ich als Ober gehen.
Die Kritik aus Teilen der Fraktionen war massiv. Wie ging es Ihnen in dieser Zeit?
Klee: Nicht gut. Das wird man auch an meiner emotionalen Reaktion Ende letzten Jahres gemerkt haben. Mit sachlicher Kritik kann und muss ich umgehen. Es wurde aber sehr persönlich und respektlos. Da habe ich mich schon manchmal gefragt, was das für ein Stil ist.
Mit dem Wissen, dass eine Mehrheit des Rates Sie nicht wiederwählen will, haben Sie sich trotzdem einer Wiederwahl gestellt. Warum haben Sie das nach Rücksprache mit SPD und Grünen gemacht?
Klee: Aus Überzeugung. Ich wollte auf jeden Fall in Kempen weitermachen. Und ich habe durchaus die Chance gesehen, dass sich das Meinungsbild zu meinen Gunsten verändern kann. Dass ich mich der Wahl gestellt habe, hatte überhaupt nichts mit politischem Kalkül zu tun. Ich bin parteilos und so habe ich auch in den vergangenen acht Jahren gehandelt.
In einigen Wochen endet Ihre Dienstzeit in Kempen. Wie muss man sich Ihre aktuelle Arbeit vorstellen?
Klee: Gemeinsam mit den Teams in den Ämtern schließen wir offene Projekte ab. Ich bin ja auch noch kommissarischer Leiter des Jugendamtes. Da gibt es auch noch Dinge, die ich für eine geordnete Übergabe vorbereiten muss. Langfristige Überlegungen können natürlich nicht mehr von mir angestellt werden. Ich werde bis Ende März hier sein, wobei ich auch noch einige Urlaubstage habe. Ein Datum für den wirklich letzten Arbeitstag steht noch nicht fest.
Sie sprechen die Jugendamtsleitung an. Warum ist es seit Sommer 2018 nicht gelungen, diese Stelle zu besetzen?
Klee: Nach dem Weggang von Heike Badberg, den ich sehr bedauert habe, wollten wir die Aufgabe der Amtsleitung etwas neu zuschneiden. Dazu gehörte zunächst einmal, die Bedarfe aller Bereiche des Jugendamtes abzuklopfen und die Leitung eben neu auszurichten. Das hat viel Zeit gekostet, die wir uns aber nehmen mussten. Die Führung des Jugendamtes ist ungeheuer wichtig. Vor allem, weil die Personalverantwortung so groß ist. Bislang haben die Kandidaten in den Verfahren den Ansprüchen der Stadt Kempen nicht genügt. Jetzt muss man sehen, was bei der jüngsten Ausschreibung herauskommt.
Wie geht es jetzt persönlich für Sie weiter? Haben Sie schon eine neue Stelle?
Klee: Stand jetzt gibt es da noch nichts zu verkünden. Ich muss mir jetzt konkrete Gedanken machen. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen.