Grefrath: Ein emotionaler Besuch
Die Tochter eines Oedter Flüchtlings besuchte die Niersgemeinde. Sie machte Station am Gedenkstein für die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus.
Grefrath. 1938 musste Kurt Willner Oedt verlassen. Auf der Flucht vor den Nazis wanderte er in die USA aus. Nun besucht seine älteste Tochter Dorothy Willner-Waroff (65), die in Florida lebt, erstmals Deutschland.
Am Freitag Vormittag war sie in der Niersgemeinde. Dabei machte sie auch Station an dem Gedenkstein, der im Jahr 2004 zur Erinnerung an die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus in Grefrath und Oedt errichtet wurde. Es war der erste offizielle Besuch einer Jüdin an der Stele im Schatten der Laurentius-Kirche.
Still war es, ganz still, als Dorothy Willner-Waroff am Gedenkstein nach jüdischer Tradition "Steine des Gedenkens" niederlegte. Zudem sprach sie das jüdische Gebet "Höre Israel".
Es war das erste Mal, dass ein Nachfahre einer jüdischen Familie aus der Gemeinde offiziell den Gedenkstein besuchte. Für Bürgermeister Herbert Kättner, Irmgard Tophoven, Mit-Initiatorin des Gedenksteins, und die anderen Beteiligten war es ein "ganz besonderer Tag", wie es Rolf Tophoven formulierte.
Dorothy Willner-Waroff sprach von einem "Neubeginn für uns alle". Sie war fast sprachlos, als sie den Namen ihres Vaters auf dem Gedenkstein las. Jetzt habe das Ganze für sie "ein Gesicht bekommen".
Sehr bewegend sei für sie gewesen, als sie in den USA die DVD von der Feierstunde zur Einweihung des Gedenksteins gesehen habe. Sie hatte die DVD von ihrer Tante, der 89-jährigen Ruth-Helene Roseboom, geborene Willner, die in New York lebt und die in fünf Jahren in sieben Konzentrationslagern war. Bemerkenswert fanden die Damen, das Christen für Juden den Gedenkstein errichtet hatten und das so viele junge Menschen an der Einweihungsfeier teilgenommen hatten.
Bei der kleinen Feststunde, die auf Kättners Initiative in der CDU-Geschäftsstelle im Edith-Stein-Haus stattfand, überreichte der Bürgermeister zwei Bände über Denkmäler und die Geschichte im Kreis Viersen, in denen auch jüdische Friedhöfe vorgestellt werden. Kättner sprach von einer "großen Ehre für die Gemeinde", die der Besuch von Dorothy Willner-Waroff und ihrem Mann Harvey Waroff bedeute. Der Besuch sei "für beide Seiten mit Emotionen verbunden".
Von Grefrath aus ging das Ehepaar Willner-Waroff zusammen mit den Tophovens weiter auf familiäre Spurensuche. In Oedt wurde an der Hochstraße81 das Geburtshaus des Vaters besichtigt und in Kempen der jüdische Friedhof, auf dem ihr Großvater begraben ist. Nächste Woche reisen sie zurück in die USA. Von Grefrath und dem, was hier getan wurde, werde sie noch viel erzählen, so die 65-Jährige.