Grefrath: Plakate mit Aha-Erlebnis

Besatzung, Krieg und Wohlstand: Das Niederrheinische Freilichtmuseum startet mit einer Plakat-Ausstellung in die Saison.

Grefrath. "Plakate sind das pralle Leben", findet Gerhard Rehm, Leiter des Archivs des Kreises Viersen. Hundertmal ist dieses pralle Leben auf Papier in der Ausstellung "Archiv-plakativ" im Niederrheinischen Freilichtmuseum Grefrath zu sehen. Das eröffnet am Sonntag mit der Schau die Saison. "Die Plakate wecken Emotionen und Assoziationen.

Da werden viele Besucher Aha-Erlebnisse haben", so Rehm. Mehr als 2500 Exemplare hat das Archiv gesammelt, und nun rund hundert ausgewählt. Beginnend mit der französischen Besatzung (1794 bis 1814) schlägt sie einen Bogen bis zur Deutschen Wiedervereinigung 1990.

"Archive haben es schwer, deshalb sind wir froh, dass wir diese Ausstellung haben", sagt Leo Peters, Kulturdezernent des Kreises Viersen. Ein Kaleidoskop der Geschichte biete die Ausstellung. Eine Rundschau, die sich freilich ohne Hilfe nur historisch Sattelfesten erschließt.

Zweisprachige Proklamationen, NSDAP-Plakate, die für den Sozialismus kämpfen, die SPD, die in den 50ern die Frau als Heimchen am Herd und im Handarbeitskreis propagiert. Kleine Infotafeln sollen weiterhelfen, teils erklärend, teils anregend. "Mickey Mouse" etwa ist zu lesen in der Ecke, die der Weimarer Republik gewidmet ist.

Unterstützung gibt’s jedoch vom Verantwortlichen. Jürgen Grams, Mitarbeiter des Kreisarchivs und Lehrer, führt Gruppen gern durch die Schau. Vor allem Schulen sind willkommen. Ein Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf der Zeit um die beiden Weltkriege - dem Niedergang der Weimarer Republik, der NS-Propaganda sowie dem Neuanfang mit Wiederaufbau, Wirtschaftswunder und Wiederaufrüstung.

Auch räumlich rückt das dunkle Kapitel NS-Geschichte nahe: "Juden haben keinen Zutritt" - die Oedter Ortsgruppe der NSDAP besserte handschriftlich auf dem Poster nach. Zehn Pfennig Eintritt kostete die Veranstaltung zur Weltfinanzkrise der 1930er-Jahre.

"Wir haben viele Plakate aus Oedt, vermutlich war der Bürgermeister besonders korrekt", erklärt Grams. Gefaltet und zum Teil gelocht sind die Sammlerstücke in den Akten gefunden worden, schließlich mussten die Plakate damals noch genehmigt werden. Heute hingegen sammelt das Archiv aktiv. Rehm: "Wir suchen immer Plakate."

Noch ein anderer Kontrast sticht ins Auge: "Heute dokumentieren die Plakate vielfach nur noch Präsenz, ihre frühere Funktionalität als Kommunikationsmittel haben sie in Zeiten von Multimedia verloren." Gesichter statt Botschaften, Jürgen Möllemann oder Helmut Kohl, sonst nichts. Jedoch gehört der Politik im Superwahljahr die Schau nicht allein.

Auch Werbe- und Veranstaltungsplakate haben ihren Platz. So schlägt die Ausstellung nicht nur historisch den Bogen, sie dokumentiert, wie sich Kommunikation und Bilder verändert haben - das pralle Leben eben.