Grünes Licht für Rathaus-Projekt
In geheimer Abstimmung stellt sich der Rat hinter den Plan für drei neue Gebäude für die Verwaltung.
Kempen. Letztlich stand sie, die Mehrheit, um die Bürgermeister Volker Rübo (CDU) in den vergangenen Wochen mit den Fraktionen gerungen hat. In einer von der FDP beantragten geheimen Abstimmung gab der Stadtrat am Dienstagabend grünes Licht für das Projekt „Zweites Rathaus“. 28 Ratsmitglieder sind dafür, dass die Stadt für insgesamt rund 9,6 Millionen Euro drei schlüsselfertige Verwaltungsgebäude zwischen Arnoldhaus und Bahnhof kauft. 16 Verordnete des Rates stimmten gegen den Beschlussvorschlag der Verwaltung.
Nach den Äußerungen der Fraktionsvorsitzenden war klar, dass CDU, Freie Wähler Kempen (FWK) und Die Linke für das Projekt sind — und SPD, Grüne und FDP dagegen. CDU, FWK und Linke kommen inklusive der Stimme von Bürgermeister Rübo aber eigentlich nur auf 25 Stimmen. Hinzu kam womöglich das Votum von Jeyaratnam Caniceus, der nach einem Streit die Fraktion der Grünen verlassen hatte (die WZ berichtete). Zwei weitere Stimmen kamen in geheimer Wahl dazu.
Für die CDU betonte Vorsitzender Wilfried Bogedain die Geschlossenheit seiner Fraktion, die sich intensiv und kritisch mit dem Thema befasst habe. Er ließ die Kritik des FDP-Ratsherrn Jörg Boves nicht gelten. Dieser hatte im Vorfeld der Sitzung kundgetan, „dass viele in der CDU Angst vor einem Gesichtsverlust haben“, sollte das Projekt noch gestoppt werden (die WZ berichtete). „Ich gehe davon aus, Herr Boves, dass das ein Alleingang ihrerseits war. Wir haben uns maßlos darüber geärgert“, so Bogedain.
Zur Sache sagte der CDU-Fraktionschef, dass am Grundsatzbeschluss vom 4. April ohnehin nicht zu rütteln sei. Damals habe der Rat bereits zugestimmt, die drei Gebäude für 8,25 Millionen Euro zu erwerben. Es gehe nun lediglich um eine Ergänzung des Beschlusses, weil in der weiteren Planung Mehrkosten entstanden seien. Diese fallen aus Sicht der CDU nicht so hoch aus wie von anderen Fraktionen behauptet. Inklusive eines Puffers von 620 000 Euro habe man schon im April bei 8,8 Millionen Euro gelegen. Die weiteren Kosten entfielen auf Möbel und eine IT-Netz-Struktur. „Und auch darauf wurde schon damals seitens der Verwaltung hingewiesen“, so Bogedain.
„Wir sind seit dem Frühjahr in der bis dahin unerwarteten und glücklichen Situation, das Problem lösen zu können an einem Standort, an dem kein Wohnungsbau verdrängt wird, der aufgrund der benachbarten weiteren Dienstleister hervorragend geeignet erscheint. In dieses Umfeld passt eine Verwaltungsnebenstelle wie das letzte Teil eines Puzzles“, lobte Bogedain die Pläne des Investors Hout, der die sogenannten Kopfhäuser bauen und dann an die Stadt verkaufen wird.
An der Notwendigkeit für ein neues Verwaltungsgebäude und der damit verbundenen Kernsanierung des Rathauses am Buttermarkt hatte keine Fraktion Zweifel — auch nicht Andreas Gareißen (SPD). Wie schon im Haupt- und Finanzausschuss bemängelte er aber fehlende Konzepte für die künftige Raumbelegung und für den Ablauf der Rathaussanierung. „Wir treffen hier eine Entscheidung, die uns für Jahrzehnte binden wird. Und zu all diesen wichtigen Themen finde ich in der Vorlage der Verwaltung kein Wort“, so Gareißen. Er warb dafür, noch nicht alles in Stein zu meißeln. „Unter diesen Umständen wird die SPD dem Beschlussvorschlag nicht zustimmen.“
Schwere Geschütze fuhr Irene Wistuba (FDP) auf: „Der Gesetzgeber schreibt bei Projekten eines solchen Ausmaßes einen Wirtschaftlichkeits-Vergleich vor. Den gibt es hier nicht.“ Es seien keine Alternativen geprüft worden. Zudem liege der Quadratmeter-Kaufpreis „in Wirklichkeit“ deutlich höher als von der Verwaltung vorgerechnet. Nach Rücksprache mit einem Experten kommt die FDP auf 2085 Euro pro Quadratmeter, während die Stadt bei 1613 Euro liege. Das hänge damit zusammen, „dass Angaben zu Brutto- und Nettoverhältnissen fehlen“. Aus Sicht der FDP ist die Vorlage der Verwaltung nicht transparent und nicht nachvollziehbar. Die Liberalen stimmten gegen den Vorschlag und behalten sich laut Wistuba weitere Schritte vor.
Auch Joachim Straeten erneuerte für die Grünen die Kritik am Projekt: „Herr Bürgermeister, Sie hätten alle Fraktionen viel früher mitnehmen dürfen und können.“ Stattdessen habe man es seit April mit einem vorgefertigten Beschluss zu tun. Andere konstruktive Vorschläge seien gar nicht berücksichtigt worden. „Wollen wir das Ganze jetzt wirklich übers Knie brechen?“, fragte Straeten alle Ratsmitglieder. Dieses Vorgehen sei Kempen nicht würdig. Später fügte er seinen Verdacht hinzu, dass der Investor, der schon seit Jahren eine Zustimmung für den Bau der Häuser hat, diese nun nicht loswerde. „Und die Stadt soll jetzt die Kuh sein, die gemolken wird“, so Straeten.
„Die Lage der neuen Gebäude ist gut und der Preis ist für Kempen günstig“, nannte Udo Kadagies (FWK) zwei Gründe für die Zustimmung seiner Fraktion. Zudem garantiere die Planung eine schnelle Umsetzung. Und diese sei mit Blick auf die mangelhafte Unterbringung der städtischen Angestellten im Rathaus und in den Nebenstellen dringend erforderlich.
So sah es auch Günter Solecki (Die Linke). Zudem brachte er einen guten Wiederverkaufswert ins Spiel. „Wenn wir irgendwann mal im Zuge der Digitalisierung weniger Büros brauchen, weil die Menschen von zu Hause aus arbeiten, können wir eins der drei Gebäude prima verkaufen“, sagte Solecki. Auch die gute Anbindung an den ÖPNV sei ein Pluspunkt für den Standort an der Schorndorfer Straße. „Bürger aus Tönisberg und St. Hubert können mit dem Bus zum Bahnhof fahren und schon sind sie am Rathaus.“
Bürgermeister Rübo bedankte sich nach der Abstimmung für die Mehrheit: „Ich möchte mich bei Ihnen für diesen mutigen Schritt bedanken.“ Die Verwaltung werde regelmäßig über den Stand der Dinge informieren. Er wolle den eingeschlagenen Weg gemeinsam mit dem Rat weitergehen.
Rübos Ziel ist die Fertigstellung der drei Gebäude Mitte 2019. Danach will die Stadt das Rathaus sanieren. Im weiteren Schritt sollen die Nebenstellen Acker, Neustraße und Antoniusstraße (St. Hubert) aufgegeben und verkauft werden.