Hombergen: Vom Flachs zum Leinen
Raepfest: Mit seinen Geschichten von früher zog der 83-jährige Walter Tillmann die Besucher in seinen Bann.
Hombergen. Mit seinen Geschichten "Vom Flachs zum Leinen" zog der pensionierte Textil-Ingenieur Walter Tillmann (83) beim Raepfest gut zwei Dutzend Zuschauer, Zuhörer und Mitarbeiter in seinen Bann.
Gut 200 Bündel getrockneter Flachs lagen braun, dürr und "raufbereit" vor der Scheune. Auf einem großen Segeltuch hatte Tillmann die "Zwei-Männer-Hechel" aufgestellt. "Das war Männerarbeit", sagte Tillmann.
Die Frauen mussten die vom Leinsamen befreiten Bündel wieder zusammenbinden. Diese Bündel kommen anschließend in die Röstkuhle, wo sie in acht bis zehn Tagen von Bakterien und Pilzen bearbeitet werden. Tillmann: "Das stank furchtbar. Durch den biologisch-chemischen Prozess wurde der Lernfaden vom Holz befreit." Der konnte versponnen und das Garn gewebt werden. "Durch 72 Hände gehen muss der Flachs bis man ein Hemd hat", zitierte Tillmann aus alten Schriften.
Zurück zum "Raepfest": Die Flachsbündel wurden durch die eisernen Kämme der Hecksel gezogen, so dass der Leinsamen auf den Boden fiel. Als erster freiwilliger "Raufer" meldete sich Arnfried Bongaers (Kempen). Seine Frau hatte als Kind bei Kriegsende auf einem Bauernhof bei Dresden die "Flachsraufe" erlebt.
Es gab viele Fragen. "Wird der Leinsamen verarbeitet?", war eine davon. Tillmann: "Ja, wir bringen ihn zu einer Ölpresse in Rickelrath und bekommen Leinöl." Der Leinsamen könne auch im Müsli gegessen werden. "Wie viel Samen hängt an einer Flachsstange?" Darauf hatte sogar Tillmann keine Antwort. Es wurde gewogen. Etwa ein Drittel des Gewichts entfielen auf den Samen.
Hinsbeck war wie weite Teile des Niederrheins Flachsland. Noch heute erinnern 400 Flachs- bzw. Röstkuhlen (vier mal sechs Meter große Wasserlöcher) an die Bedeutung des Flachs. Laut Statistiken waren damals 49 Prozent der Bevölkerung Bauern und 48 Prozent Flachs- und Leinenweber.
"Früher gab es nach 200 Bündeln den ersten Wacholder", dozierte Tillmann. Am Samstag war er großzügiger: Nach einer Stunde schweißtreibender "Rauferei" gab es einen Wacholder-Schnaps. Zum Schluss feierten alle bei "Ries mit Krente, Keni-el on Beschuete (Reisbrei mit Rosinen, Zimt und Zwieback).