Brauchtum in St. Hubert St. Martin zieht die „25-Jahre-Klausel“
Kempen · Johannes Dicks reitet am 9. November in St. Hubert dem Laternenzug voran.
. (biro) Zum zweiten Mal in seinem Leben verwandelt sich Johannes Dicks am Dienstag, 9. November, in St. Martin. Dann zieht er den goldenen Helm auf, wirft den roten Mantel über und steigt aufs Pferd – begleitet von seinen Herolden Thomas Hormanns und Gottfried Willmen. Los geht es um 17.10 Uhr auf dem Schulhof, die Mantelteilung ist auf dem Hohenzollernplatz.
Vor 25 Jahren saß der heute 63-Jährige schon einmal in St. Hubert als St. Martin im Sattel und trat damit in die Fußstapfen seines Vaters Hannes. Seit 1903, seit es in St. Hubert das Martinskomitee gibt, wechselt alljährlich der Martinsdarsteller. Der Vorsitzende des Komitees führt eine Warteliste mit den Namen derjenigen, die gern als St. Martin aufziehen würden, und nur er weiß, wer im kommenden Jahr den Mantel teilen wird.
Einzige Ausnahme: Wer nach 25 Jahren noch einmal aufziehen möchte, darf das – die übrigen Kandidaten von der Warteliste müssen dann eben weiter warten. 1970 bekam Johannes Dicks’ Vater Hannes den Zuschlag, beim Zug 1971 den Martin spielen zu dürfen. 25 Jahre später, 1996, hätte er also erneut aufziehen dürfen, wenn er beim Martinszug 1995 bekanntgegeben hätte, die Rolle wieder annehmen zu wollen. Im Ort sei längst allen klar gewesen, dass „Dicks Hannes“ erneut reiten würde, seine Söhne ihn als Herolde begleiten würden, sagt Johannes Dicks. Doch dazu kam es nicht: Im August 1995 starb Hannes Dicks. „Am offenen Grab habe ich meinen Bruder gefragt: Du oder ich?“, erinnert sich Johannes Dicks. „Mein Bruder sagte: Du.“ Er sprach mit dem Vorsitzenden des Komitees, der zwar erklärte, den zweiten Ritt könne man nicht vererben, doch mit demjenigen sprach, der als nächstes auf der Warteliste stand. Und der verzichtete. „So bin ich also 1996 in Vertretung für meinen Vater geritten“, erzählt Johannes Dicks.
St. Martin bedeute ihm „unheimlich viel“, sagt Dicks, der inzwischen selbst Vorsitzender des Martinskomitees ist. Das Fest sei im Ort fest verankert, jeder Haushalt gebe eine Spende, die Kinder seien wochenlang mit der Vorbereitung des Festes beschäftigt. „Das Fest steht für mich für die Mitmenschlichkeit“, sagt Dicks. „Martin hat gesehen, da braucht einer Hilfe, und er hat geholfen – ohne zu fragen, ob das nicht jemand anders machen kann oder wer dafür verantwortlich ist. Er hat einfach geholfen und ist dann weitergeritten.“ Seit 1976 gehört Dicks der Freiwilligen Feuerwehr an, und da, sagt er, sei es ebenso: „Wer Hilfe braucht, bekommt Hilfe. Punkt.“ Deshalb sei ihm auch das Lied „Der Herbststurm“ das liebste, „weil der Text davon erzählt, wie selbstverständlich für Martin die Hilfe war.“